Der Pfau und die Sache mit den blauen Sachen

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affectionista Avatar

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In DER PFAU von Isabel Bogdan geht es zunächst mal um Lord und Lady McIntosh. Die wohnen ziemlich abgelegen in den schottischen Highlands und beherbergen ab und an Gäste. Zum Beispiel Liz, die Chefin der Investmentabteilung einer Bank, und ihre vier männlichen Mitarbeiter. Die beziehen samt Psychologin Rachel und Köchin Helen im Westflügel des Anwesens Quartier, um sich in der kargen Umgebung einem Teambuildingwochenende zu unterziehen. Dann geschehen aber – ausgelöst durch die Aktionen eines verrückt gewordenen Pfaus – allerlei kuriose Dinge, und es werden notgedrungen viel mehr Teams gebildet als Rachel es vorher zu hoffen wagte. Wer sich beim Hüttenbauen im Wald bewährt, und was der Hund Mervyn mit der ganzen Sache zu tun hat, lest ihr am besten selbst nach, ich will ja hier nichts spoilern.

Ich habe alle Figuren so lieb gewonnen, dass ich mit ihnen sofort auf ein Glas Bier (oder Irn-Bru oder Cider) gehen würde. Und das, obwohl sich einige von ihnen am Anfang nicht besonders sympathisch benehmen. Isabel Bogdan schafft es, ihre kleine Truppe mit feiner Ironie, aber ohne Zynismus, sondern immer mit Respekt vor den Figuren zu erzählen. Überhaupt kommt die ganze Geschichte dermaßen sympathisch und im allerbesten Sinn unaufgeregt daher, dass ich gar nicht anders kann, als sie von Herzen zu mögen. Dabei gibt es eigentlich eine Menge Aufregung in der Geschichte vom PFAU, aber die wird eben subtil und mit Humor erzählt.

Es wäre ein Leichtes gewesen, den Plot dramaturgisch an einigen Stellen viel weiter aufzudrehen, damit er mehr Lärm macht. Aber gerade weil Isabel Bogdan das nicht tut, bringt die Erzählung die kleinen Alltagsabsurditäten zum Leuchten, die den Figuren Stolpersteine in den Weg legen.

Dann wäre da aber auch noch die Sprache. In dem ganzen Buch gibt es nämlich keine einzige direkte Rede, dafür jede Menge Konjunktive. Das ist mir aber seltsamerweise zuerst gar nicht so richtig aufgefallen. Nun könnte man meinen, dass das eine ziemlich konstruierte Sache ist, ein Spleen der Autorin vielleicht. Aber für mich fasst es genau das in Worte, was der Kern des Konflikts aller Figuren ist: Sie üben sich permanent in höflicher Zurückhaltung. Das kommt vermutlich daher, dass sie Engländer sind, aber es ist auch der Situation geschuldet – weder will die Chefin sich vor ihren Angestellten eine Blöße geben, noch umgekehrt. Auch die Psychologin, die das Teambuildingwochenende leitet, glaubt einiges verlieren zu können, und alle anderen auch. Dann gibt es noch die einen oder anderen Geheimnisse um den Pfau, und mehrere Parteien haben Gründe, die bloß nicht ans Licht kommen zu lassen. Da hält man lieber höflich Abstand, wegen der Sicherheit und des Gemeinwohls sozusagen. Und genau das löst der Konjunktiv aus: Eine gewisse höfliche Distanz, oft gepaart mit einer im Raum schwebenden Möglichkeit, aber man würde sich jetzt lieber nicht so gerne wirklich festlegen. Ich weiß nicht, ob das von vornherein so gedacht war, oder ob bloß ich das jetzt so interpretiere, aber das ist ja auch egal. Ich finde das nämlich großartig.

DER PFAU hat mir ein großes Vergnügen bereitet. Nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch, weil das Buch so schön gemacht ist. Es hat ein rotes Lesebändchen, und die Pfauenfedern am Schutzumschlag glänzen wunderschön blau. Insgesamt also: Große Empfehlung!