Brief aus der Vergangenheit

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omami Avatar

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Ein echtes 5* Buch vom italienischen Autor Domenico Dara, ins Deutsche übersetzt von Anja Mehrmann.
Für dieses Buch sollte man sich Zeit nehmen, Zeit, die die Bewohner Girifalcos in den 60er Jahren noch im Überfluß hatten. Dann versteht man auch, was den Postboten des Ortes dazu treibt, Briefe, die ihm interessant erscheinen, zu öffnen, abzuschreiben und zu archivieren, ehe er die Originale an die rechtmäßigen Empfänger zustellt.
Auf diese Weise kann der Postbote, ein melancholischer, oft trauriger Mann, der seinen Vater nie kennengelernt hatte, vieles verhindern, manches abmildern, und alle sind zufrieden.
Der Bürgermeister von Girifalco zum Beispiel, versucht, eine geplante Mülldeponie seinen Wählern als Wasserfabrik unterzujubeln, er verspricht Arbeitsplätze und hofft auf einen positiven Wahlausgang und eine Extraportion Bares für seine Schwarzgeldkasse.
Aber der Postbote weiss sich zu helfen und sorgt mit einem Brief und einem Gegner des Bürgermeisters für Recht und Ordnung.
Bis eines Tages ein Brief auftaucht, dessen Handschrift der des Postboten derart gleicht, daß er nicht widerstehen kann und den Brief öffnet.
Und dann geht das Chaos seiner Gefühle mit ihm durch.
Er macht sich auf die Suche nach Spuren der Vergangenheit und wird auch in gewissem Maße fündig.
Der Roman hat mich trotz seiner Langsamkeit fasziniert. Das alte Italien mit seinem Überschwang an Emotionen,seiner Frömmigkeit und seiner Abergläubigkeit, ich konnte beinahe hören, daß Colajizzu mit seinem Esel haderte, dass der erblindete Pepe Mardente mit seinem Stock die Strasse entlang suchte, dass Assuntinuzza Valeriana mit der Plastikstange auf den Boden stampfte, um den Bürgermeister bei seiner Wahlkampagne zu unterstützen.
Der Postbote führte auch ein Verzeichnis aller Zufälle, die ihm bekannt waren und sorgte dafür, dass Mütter von Söhnen Briefe bekamen, die sie so niemals geschrieben hatten, denn der Postbote hatte eine große Begabung, er konnte jede Schrift detailgenau nachmachen.
Und dann landeten die Amerikaner auf dem Mond, und die Welt geriet in Girofalco kurz aus der Bahn.
Ein ganz wunderbarer Roman, den man einfach gelesen haben muß