Das Universum verbindet alle miteinander

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clematis Avatar

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„…in einem Universum, in dem die Handlungen aller unaufhörlich miteinander verbunden waren.“ Kap.8

Domenico Dara entführt uns in seinem Buch in das verstaubte süditalienische Dorf Girifalco im Jahre 1969.

Der zurückgezogene, einzelgängerische Postbote zeichnet sich aus durch seine Leidenschaft fürs Philosophieren und seine Begeisterung für Liebesbriefe. Daraus resultiert sein recht ungewöhnliches Hobby: er öffnet Briefe, schreibt sie in gekonnter Imitation der Schrift ab und archiviert die Kopien systematisch. Ab und zu greift er auch in die Korrespondenz ein, indem er einen Brief nicht zustellt oder selbst ein Schreiben aufsetzt und in den Briefschlitz steckt. So werden Liebende zusammengeführt, sorgenvolle Mütter getröstet und die Dorfpolitik durcheinandergewirbelt.

Der Autor versteht es, die komplexen Zusammenhänge nicht von Anfang an in einer geradlinig verlaufenden Geschichte darzustellen, sondern mittels einzelner Episoden aus dem Dorfgeschehen Puzzlesteine vorzustellen, die sich erst nach und nach zu einem großen Ganzen zusammenfügen. So erfährt der Leser erst im Laufe der 36 Kapitel, wer die vielen unterschiedlichen Personen mit den schwierigen Namen sind (Register am Ende beachten!) und in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen, warum so manche wahre Liebe zu Ende war, bevor sie noch richtig begonnen hat, warum das Schicksal – oder ist es der Zufall? – so oft eine Rolle spielt, warum ein längst vergangenes Verbrechen Jahre später noch seine Wirkung zeigt.

Mit einer sehr klaren, sich aber trotzdem distanziert anfühlenden Sprache beschreibt Domenica Dara viele einzelne Vorkommnisse sehr präzise und anschaulich. Realität verschwimmt mit Phantasie, Jetzt mit Damals. Der Leser versinkt in kleine Details des Dorfes und lernt so die vielen unterschiedlichen Facetten kennen, die schließlich ein wunderbares Gesamtbild ergeben.
Wer Spannung sucht, wird sie in diesem Buch nicht finden, wer hingegen Geduld aufbringt, die Reise in die Vergangenheit anzutreten, alte und neue Briefe zu lesen, das Schicksal der Dorfbewohner kennenzulernen und damit auch jenes des Postboten, der wird am Ende zufrieden ein ganz besonderes Buch in Händen halten.