"Wunder sind nichts anderes als absolute Zufälle."

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maulwurf123 Avatar

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"Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall" ist das Debüt des Autors Domenico Dara und im April diesen Jahres im Kiepenheuer&Witsch-Verlag erschienen.

Die Handlung spielt in Süditalien 1969. Protagonist der Geschichte ist der Postbote von Girifalco. Er lebt sehr zurückgezogen, liebt die Philosophie und hat ein recht ungewöhnliches Hobby: Er liest die durch seine Hände gehenden Briefe der Dorfbewohner mit. Manchmal schaltet er sich auch als heimlicher Korrespondent mit in den Briefwechsel ein: Wenn Liebende auf Abwege geraten, Mütter ihre in fremden Ländern das Glück suchende Söhne vermissen oder Dorfpolitiker und andere lokale Würdenträger mauscheln, was das Zeug hält.
Eines Tages fällt dem Postboten ein Brief in die Hände, der Erinnerungen an ein Jahre zurückliegendes Verbrechen und zwei tragische Liebesgeschichten - eine davon seine eigene - wecken lässt...

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in ein verschlafenes italienisches Städtchen. Ansprechend dazu ist das Cover gestaltet. So hat man doch beim Lesen gleich Bilder eines alten Schwarz-Weiß-Filmes im Kopf. Passend dazu lässt der Autor immer wieder italienische Begriffe, Begrüßungen und Ähnliches mit in die Geschichte einfließen. So wirkt die Handlung noch authentischer.

In die Hauptfigur kann man sich als Leser gut hineinversetzen. Der Charakter des Postboten von Girifalco ist interessant gestaltet worden. Vaterlos aufgewachsen, entdeckt er schon während seiner Schulzeit das Talent zum Kopieren von Schriften. In seinem jetzigen Alltag sammelt er Zufälle, notiert diese in einem kleinen Notizbuch. Er sammelt und archiviert für sein Leben gern. Doch bei all den Beobachtungen, die er über das Leben seiner Mitmenschen anstellt, verliert er seine eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte aus dem Blick.

Insgesamt weckt die Geschichte auch durch ihre Erzählweise Erinnerungen an ein Märchen. Jedes Kapitel ist eingeleitet mit einer kleinen, recht fantasievollen Inhaltsangabe.

Mit 469 Seiten ist dieser Roman ein wahrhafter Schmöker. Für eine lesenswerte Unterhaltung vergebe ich hier gerne vier Sterne.