Die Entscheidung

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lale1972 Avatar

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Diane Brasseur erzählt in ihrem Debütroman einen Tag aus dem Leben eines vierundfünfzigjährigen Anwalts aus Paris. Es ist nicht irgendein Tag, sondern der Tag, an dem er eine Entscheidung fällen will. Er zieht sich Zuhause, bei seiner Frau und seiner Tochter in Marseille, in sein Arbeitszimmer zurück und lässt Revue passieren und malt sich verschiedene Zukunftsszenarien aus. Der Punkt, weshalb er sich entscheiden will, ist Alix. Alix ist blutjung -einunddreißig-, schön, aufregend und unersättlich. Alix ist seit einem Jahr seine Geliebte.
Das Cover ist kühl durch die Farbwahl, aber doch anzüglich-anziehend. Der Titel ist sehr vielfältig interpretierbar und das auch noch nach der Lektüre des Buchs. Optisch wirkt das Buch insgesamt irgendwie minimalistisch, die Kapitel haben keine Überschriften, keine Nummern, sind nur eine halbe Seite eingerückt.
Das ganze Buch ist eine einzige Ich-Erzählung, das macht die Geschichte sehr emotional. Man ist ganz nah am Geschehen, es ist, als ob einem ein guter Freund gegenüber sitzend die ganze Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Da der Anwalt eine sehr eigene Sicht der Dinge, also des Ehebruchs hat, die für einen weiblichen Leser nicht immer sympathisch ist, bekommt die Story durch die Erzählweise eine eigene Dynamik. Zudem benutzt die Autorin keine Namen, es tauchen nur der Anwalt selber -ich- auf, seine Frau und seine Tochter, keine Namen, außer Alix; sie ist der persönliche Störfaktor in dieser anonymen Familienkonstellation.
Der Ich-Erzähler, also der Anwalt, erzählt einem in verschiedenen Perspektiven, und auch nicht chronologisch gelistet, sein Kennenlernen mit Alix, das Geschehen des vergangenen Jahres, gemischt mit Zukunftsvisionen, die er sich in allen erdenklichen Konstellationen ausmalt. Er denkt sich eine Entscheidung herbei, die er eigentlich nicht treffen will. Er hat seine aufregende Woche mit Alix und sein ruhiges Wochenende mit Frau, Tochter und Vater. Alles auch in der passenden Konzentration. Eigentlich gefällt es ihm so, aber alle anderen um ihn herum leiden irgendwie und das gefällt ihm nicht. Seiner Frau soll es nicht schlecht gehen, da stört das schlechte Gewissen, aber Alix soll auch nicht leiden (obwohl er ja nie etwas versprochen hat...), aber sie will irgendwie mehr, sie will Familie...
Und so malt er sich die verschiedensten Möglichkeiten aus. Weiß seine Frau etwas? Was wäre, wenn Alix einen Neuen hätte? Was wäre, wenn seine Tochter in Alix Situation wäre? Wenn, wenn, wenn...
Und da ist der Knackpunkt ein bisschen. Die Autorin ist weiblich, der Erzähler männlich und das Thema hat eindeutig männliche und weibliche Sichtweisen. Der Erzähler zeigt männliche Gedanken auf, verpackt sie aber weiblich in der "Denkart". Was ich sagen will, ist das kein Mann, den ich kenne, sich so viele Gedanken um etwas machen würde, und sie in so schillernden Visionen ausmalen würde. "Mann" würde es aussitzen, so weiter machen wie bisher und die anderen eine Entscheidung fällen lassen oder selbst eine fällen, ohne großes Wenn-Aber-Dann.
Trotzdem, ich bin ja eine weibliche Leserin, hat mir diese weibliche Art des Denkens mit dem männlichen Gedankengut so gut gefallen, dass ich das Buch bis zum letzten Wort nicht aus der Hand gelegt habe, wobei das Ende ja wieder meiner Männer-Theorie entspricht, aber lest selbst!