Die Gedankenwelt des Mannes

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jjbert Avatar

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Schon bei der Leseprobe war ich positiv überrascht und an diesem Buch sehr interessiert. Inhaltlich geht es um einen Mann, der unter der Woche in Paris arbeitet und dort eine Geliebte, Alix, hat. Wochenends ist er dann in Marseille bei seiner Ehefrau und seiner Tochter. Zusehends kommen immer öfter Gedanken in ihm auf, wie er sein Leben mit seinen beiden Frauen gestaltet und die eine vor der jeweils anderen geheimhält. Es fällt ihm schwer sich in Marseilles fürs Wochenende einzuleben, da er sich schon wieder nach Paris, also nach Alix sehnt. Alix, die wunderschöne, junge Geliebte, die in ihm ungeahnte Leidenschaften entfacht und ihn dazu bringt fremdzugehen. Er hat sich nicht bewusst dazu entschieden, es ist einfach so passiert.

Die Affäre geht schon fast ein Jahr, als es zu einem anscheinend entscheidenden Punkt für den Mann kommt. Er wird die Weihnachtsfeiertage und Neujahr mit seiner Familie in New York verbringen. Was sagt seine Geliebte dazu? Ahnt seine Ehefrau eigentlich, dass er eine Liebschaft hat? Zweifel und Schuld beginnen an ihm zu nagen und besonders dieser Familienurlaub bringt mit sich, dass er für länger auch nicht nach Paris kann. Wie soll er das vor Alix rechtfertigen? Kann sie es überhaupt verstehen, dass er Zeit mit seiner Familie verbringt, dass er sich noch nicht von seiner Ehefrau getrennt hat? Er entwirft mehrere Nachrichten an Alix, aber jedes Mal scheint es so, als fände er nicht die richtigen Worten und schiebt den Anruf oder die SMS vor sich her. Für den Leser stellt sich am Ende schon die Frage, ob das Ich überhaupt zu Alix zurückkehren wird und die Affäre weiterführt.

Als Leser bekommt man einen sehr guten Einblick in die Gedankenwelt dieses französischen Mannes, seine Sorgen, wie er sich Dinge und Situationen ausmalt, wie er sich überlegt, was Alix macht und denkt, während er in Marseilles bei seiner Frau ist etc. man liest sozusagen das gesamte Kopfkino dieses Ichs, welches mir als Leser bewusst gemacht hat, dass auch ich oftmals mir Möglichkeiten und verschiedene Szenarien ausmale.
Die Perspektive spiegelt sich auch im Schreibstil wider. Teils sehr minimalistisch, teils sehr detailverliebt werden die Sehnsüchte des Ichs dargestellt. Des Weiteren empfand ich als sehr erfrischend, dass das Ich nie beim Namen genannt wird und somit in kompletter Anonymität verschwindet. Die Gedanken sind frei, wer kann den Schreiber erraten.

Meiner Meinung ein sehr gelungener Roman von Diane Brasseur. Mein Tipp: Nehmen Sie sich einen Abend und eine Flasche Wein. Sie werden automatisch anfangen auch Ihre eigenen Gedanken zu reflektieren.