Reisender in schwerer Zeit

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hurmelchen Avatar

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War ich in den letzten Jahren absolut begeistert von literarischen Wiederentdeckungen, wie "Mich hungert" von Georg Fink, "Blutsbrüder" von Ernst Haffner und "Schlump" von Hans Herbert Grimm, so ließ mich nun "Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz seltsam kalt.
Alle oben genannte Bücher stammen von im Dritten Reich verfemten Autoren und waren lange Zeit vergessen, oder erschienen, wie in Boschwitz Fall, nie in Deutschland.
Muss man nun per se Bücher und Autoren, denen während der Nazi Zeit Unrecht angetan wurde, toll finden? Ich finde, nein.
"Der Reisende" ist bemerkenswert, weil er, schon 1938 im Exil erschienen, schonungslos einen Zeitgeist präsentiert. Die Athmosphäre der Angst, des Unterdrückt - Seins, das Entsetzen, alles zu verlieren und als Mensch geächtet zu sein, das beschreibt Boschwitz aus erster Hand und ganz unmittelbar erfühlbar.
Trotzdem mäandert die Geschichte herum und ist über weite Strecken redundant.

Otto Silbermann, ein jüdischer Kaufmann, kann gerade noch vor den Nazi Schärgen fliehen, rettet sein Leben und einen kleinen Teil des Vermögens, welches er in bar fortan in einer Aktentasche mit sich trägt.
Um einen sicheren Ort zu finden, führt ihn seine Odyssee quer durch Deutschland, immer in Zügen von Ort zu Ort getrieben.
Der Leser nimmt Teil an seinen Gedanken, Träumen, Ängsten.

Leider wirkt diese Art der Erzählung, über weite Strecken langatmig. Silbermann selbst kommt man als Leser auch nicht wirklich nah. Die übrigen Personen, die wie im Vorübergehen auf - und abtauchen, wirken teilweise leider sehr stereotyp.

Man kann "Der Reisende" als interessantes Zeitdokument lesen, eine literarische Offenbahrung ist es nicht.