Zart und schön wie ein Eisvogel

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Es ist nicht nur die Lebensgeschichte von Olga, die wir in diesem Roman begleiten, sondern auch ein Stück deutsche Geschichte. Der Roman setzt im Jahr 1991 ein, wenige Jahre nach der Wiedervereinigung, und Olga wird von ihrer Tochter und ihrer Enkelin als Überraschung zum 66. Geburtstag in die alte Heimat nach Ginsterburg in der Uckermark „entführt“. Ein Schock für Olga, die bisher ihre Vergangenheit unter Verschluss gehalten hatte und nun schlagartig damit konfrontiert wird. Und so erfahren wir von den Ereignissen, die Ende der 1930er Jahre ihren Anfang nahmen. Nein, eigentlich schon früher – mit Olgas tragischer Geburt, die zugleich den Tod ihrer Mutter bedeutete.

Der Roman ist hervorragend erzählt mit wunderbar ausgeformten Charakteren und es entsteht ein lebendiges Bild der damaligen Zeit. Die Entwicklungen von Familie/Freunden und Zeitgeschehen sind sehr geschickt verwoben und chronologisch raffiniert angeordnet. Die zahlreichen Zeitsprünge ergeben absolut Sinn und führen unweigerlich zum Höhepunkt der Erzählung hin; zahlreiche Hinweise und Andeutungen bereiten das Ende schon durch den ganzen Roman hindurch vor, so dass dieses absolut glaubwürdig erscheint.

Für mich entwickelte sich beim Lesen ein wahrer Sog, der mich das Buch kaum noch aus der Hand legen ließ, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es in der Gegenwartsebene von 1991 weitergeht bzw. wie es Olga in der Vergangenheit erging. Besonders die „Eisvogel-Stunden“ am frühen Morgen wärmten mir die Seele. Andere Vorkommnisse schnitten mir förmlich ins Herz, und einige grauenhafte Begebenheiten wie die russische Besatzung in Kühlungsborn brannten sich mir schmerzhaft ein. Dennoch habe ich diese Schilderungen nie als reißerisch empfunden. Im Buch heißt es lapidar und treffend: „Man begegnet in seinem Leben vielen Leuten, aber nur wenigen Menschen.“ Umso schöner, dass man in dieser wunderbaren Erzählung so viele Menschen treffen darf.