Seelenreisen

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dani89 Avatar

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Kurz nachdem sie ihren Job gekündigt hat und ihr Freund Jerry ihr einen Heiratsantrag gemacht hat, nimmt die junge Journalistin Myra Morgenstern reiß aus: um den Kopf frei zu kriegen und sich darüber bewusst zu werden, was sie in ihrem Leben eigentlich genau will, macht sie sich auf den Weg zurück in die Heimat ihrer frühesten Jugend in den kanadischen Bergen.
Während ihrer Anreise platzt sie dabei unabsichtlich und unbemerkt in eine indianische Zeremonie zur Ahnenbeschwörung, welche ihr Leben für immer verändern soll: Nachdem Myra bei einer Bergwanderung in eine Steinlawine geraten ist, erscheinen ihr aus dem Nichts zwei Felssäulen und sie verspürt den Drang durch sie hindurch zu gehen, woraufhin sich ihre Seele zunächst in der Vergangenheit im Körper einer Runa und später in ihrem eigenen, etwa zwanzig Jahre älteren Körper wiederfindet. In dieser Zukunft ist Myra mit Chad Blue Knife verheiratet, einem Indianer, den sie in der Gegenwart nach ihrer Seelenreise zurück in den Bergen kennenlernt, bevor sie sich zusammen mit ihm und mit der Hilfe seiner Großtante Heather auf eine abenteuerliche Reise um einen alten Talisman begibt.

Zunächst einmal zu den positiven Aspekten des Buches: Die traumhaften Landschaften Kanadas sowie die Sitten und Gebräuche der Indianer werden gut eingefangen und schaffen eine malerische Antmosphäre, in die man als Leser gut eintauchen kann. Leider hört es mit dem Lob für meinen Geschmack hier auch schon auf.
Zwar lesen sich die Seiten durch die eher unkomplizierten Satzbauten locker und schnell weg, aber nach der gefühlt zwanzigsten detailgenauen Beschreibung einer indianischen Tracht in den ersten fünfzig Seiten, dachte ich mir, das Grundprinzip habe ich jetzt so langsam verstanden, das könnte also auch mal ein wenig kürzer ausfallen. Für mich haben diese immer wieder auftretenden Passagen schon bald nicht mehr zu der bereits gelobten Atmosphäre der Geschichte beigetragen, sondern mich schließlich nur noch aus der ohnehin schon etwas stockenden Handlung gebracht.
Die Dialoge wirkten auf mich zudem irgendwie hölzern und unnatürlich.

Was die Charaktere selbst betrifft, so empfand ich deren Beschreibungen (abgesehen von Äußerlichkeiten) doch etwas dünn und ihre Interaktionen vorhersehbar aber nicht nachvollziehbar. Da ich mir bewusst bin, dass sich das eigentlich gegenseitig ausschließen müsste, will ich das am Bespiel der beiden Hauptpersonen kurz erklären: Es ist klar, dass sich über kurz oder lang eine Beziehung zwischen Myra und Chad entwickeln soll. Insofern sind quasi alle Interaktionen der beiden Charaktere auf dieses Ziel gerichtet (und damit vorhersehbar), ohne dass sie dabei plausibel sind: Chad sieht eine ihm nahezu völlig fremde Frau zwischen zwei Felssäulen – vermutlich in die Geisterwelt seines Kulturkreises – verschwinden und beschließt auf sie zu warten. Myra kommt aus der gemeinsamen Zukunft mit Chad zurück, trifft auf ihn in der Gegenwart und von da an ist es quasi beschlossene Sache, dass die zwei zusammen gehören müssen, sie die konkrete Entscheidung dazu aber zu Gunsten des höheren Ziels etwas hinausschieben. Einzige Erklärung dafür sind dann insgesamt seitenlange und sich scheinbar ständig wiederholende Umschreibungen der unerklärlichen, aber auch unausweichlichen Anziehung zwischen den beiden, was meiner Meinung nach allein nicht die Basis der Beziehung sein kann, um auf den Leser nachvollziehbar zu wirken. (Insofern kann ich einigen der anderen Rezensionen hier nicht zustimmen, denn für meinen persönlichen Geschmack rutscht das schon ins Kitschige ab.)

Abschließend noch einige Worte zur Gesamt-Logik des Werkes: Natürlich schneidet dieses Buch das Fantasy-Genre, welches ich an sich sehr mag. In meinen Augen muss eine Roman-Welt – egal wie weit hergeholt sie auch sein mag – dabei aber stets in sich schlüssig sein. Leider kann ich auch diesen Punkt in Hinblick auf „Der Ruf des weißen Raben“ nicht bejahen, denn auch wenn die Charaktere sich die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Zeitreisen Myras ständig selbst zu erklären scheinen, um den Leser zwischendrin nicht zu verlieren, erschien mir die doch sehr hinkonstruierte Logik dahinter einfach nicht plausibel – wäre sie es, so wären auch die ständigen Erklärungen unnötig gewesen.

Insgesamt kann ich dieses Buch insofern jedem empfehlen, der auf der Suche nach einem spirituell mystischen Roman mit einer (in meinen Augen) ordentlichen Portion Kitsch ist, welcher den Leser mehr in ein traumhaftes Kanada der Indianer entführt als eine in sich schlüssige, packende Handlung mit glaubwürdigen Charakteren zu vermitteln.