Schlafstörungen mit Entwicklungspotenzial

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
roomwithabook Avatar

Von

Wie wichtig Schlaf ist, wird besonders deutlich, wenn er fehlt, sei es durch Schlaflosigkeit oder Schichtarbeit. Schlaf ist ein Grundbedürfnis, doch nicht jede:r hat das Glück, ihn regelmäßig zu bekommen. Tamar Noort nähert sich den Schlafproblemen von zwei Seiten oder besser gesagt durch zwei Frauen, beide Perspektiven werden abwechselnd erzählt. Eines Nachts treffen sich Janis und Sina zum ersten Mal, allerdings nicht auf einer Party oder beim Essen, sondern in einem Schlaflabor. Janis arbeitet dort, seit sie ihren Job als Krankenschwester gekündigt hat, hat sich ihr Tag-Nacht-Rhythmus endgültig verabschiedet, sie ist ein bisschen aus der Welt und damit auch aus ihrem sozialen Umfeld gefallen. Sina dagegen kommt als Patientin, sie ist Lehrerin, Ehefrau und Mutter, aber nur noch selten sie selbst. Und schlafen kann sie auch nicht, sie befindet sich in einem ständigen Zwischenzustand: nie richtig wach, aber auch nicht in der Lage, in den Schlaf zu finden. Die beiden Frauen, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick auch sein mögen, lernen sich, wenn auch unwillig, im Laufe der Nacht besser kennen. Und zwar nicht nur sich gegenseitig, sondern auch sich selbst. Schließlich ist bei beiden in den letzten Jahren viel auf der Strecke geblieben, und daran ist nicht nur die Schlaflosigkeit schuld. Tamar Noort schreibt unterhaltsam, aber nur vordergründig leicht über die Herausforderungen eines Lebens ohne geregelten Schlaf. Es geht um die gesellschaftlichen Ansprüche an Mütter, um Schichtarbeit, den Verlust der eigenen Identität und die Frage, inwieweit sich eingefahrene Strukturen wieder aufweichen lassen. Die Nacht, in der sich die beiden Frauen kennenlernen, entwickelt sich ganz anders als geplant und eröffnet beiden neue Möglichkeiten. Die Autorin schafft es, diese Fülle an Themen dezent zu verknüpfen und dabei den Blick auf weibliche Lebensrealiitäten zu schärfen sowie das Ausmaß an Fremdbestimmung zu hinterfragen, von dem viele betroffen sind – sei es als Mütter oder als Lohnarbeitende. Der Roman kommt zurückhaltend daher und enthält doch so viel, vor allem auch einen humorvollen Blick auf die alltäglichen Abgründe. Große Empfehlung, auch für Menschen ohne Schlafstörungen.