Meditativ

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anniki Avatar

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„Der Schneeleopard“ von Sylvain Tesson ist ein kleines aber feines Buch. Man muss in der richtigen Stimmung sein, um es voll erfassen zu können. Man braucht ein ruhiges Fleckchen Erde und einen offenen Geist, damit man sich in die Bergwelt Tibets entführen lassen kann.
Eine Vierergruppe begibt sich nach Tibet, um auf einen Schneeleoparden zu warten. Sehr unterschiedliche Charaktere, mit unterschiedlich großer Geduld, hoffen auf ein berührendes Erlebnis.
Tesson schreibt verwunschen. Er beschreibt was er erlebt, fühlt und sieht (oder auch nicht sieht) wie ein Dichter. Wahrscheinlich kann man nicht anders, im Angesicht der Umgebung in Tibet bei eisiger Kälte und wilder Natur, die doch sehr still daher kommt.
Eins meiner Lieblingsabschnitte aus dem Buch:
Gott: hat den Leoparden als Löschpapier benutzt und seine Feder an ihm abgestreift. […] „Und der Mensch?“, fragte Marie. „Hat der nicht das Recht auf einen Aphorismus?“ „Der Mensch?“, sagte ich. „Gott hat gewürfelt, und er hat verloren.“
Der Schreibstil ist verschnörkelt, und ich habe bei weitem nicht jedes Fremdwort gekannt. Trotzdem war ich verzaubert und konnte im Ansatz nachempfinden, wie es ist, auf etwas zu warten von dem man nicht weiß, ob es jemals eintritt. Und dann blitzt zwischendurch ein feiner ehrlicher Humor durch.
Ein schönes Buch, das ohne großes Drama, vom ganz großen Drama berichtet.