Poetisch, philosophisch - aber mehr leider nicht

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marialein Avatar

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Auf der Suche nach dem vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden macht sich der Autor Sylvain Tesson gemeinsam mit Tierfotografen Vincent Munier auf den Weg durch die Einsamkeit der tibetischen Hochebene. Für Tesson ist diese Reise in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Bei Eiseskälte ist er hier zu stundenlangem Ausharren verdammt, ungewiss, ob er den Schneeleoparden überhaupt jemals zu Gesicht bekommen würde. Für den vielgereisten Autor eine ganz neue Erfahrung.

Seine Erlebnisse schildert er so, wie er die Lauer erlebt haben muss: lang, weitgehend ereignislos, dafür mit viel Poesie und persönlichen Eindrücken. Ich persönlich empfand die Lektüre leider als recht langatmig. Statt das Erlebte zu beschreiben, verliert sich Tesson permanent in philosophischen Überlegungen, die mehr mit abstrakten Konzepten – Natur, Kunst und Kultur, Religion – als mit den eigentlichen Erlebnissen zu tun haben.

Was aber nicht heißt, dass das Buch mich völlig kalt gelassen hätte. Die Anekdote mit Muniers Foto des Falken zum Beispiel fand ich wirklich faszinierend. Wenn es nach mir geht, hätte die gesamte Reise in dieser Art geschildert werden können.

Auch fand ich das Anliegen, mit den Fotos und dem Buch auf die prekäre Lage der Schneeleoparden aufmerksam zu machen, sehr lobenswert, aber irgendwie geht dieses Thema durch den sehr persönlichen Ansatz weitestgehend unter. Der Schneeleopard ist ja nicht deshalb mehr oder weniger schützenswert, weil der Autor seine Mutter und eine ehemalige Geliebte mit ihm in Verbindung bringt…

Anstelle der vielen – zugegeben sehr gebildet und poetisch daherkommenden – Gedanken hätte ich mir mehr Konkretes gewünscht. Wie richtet man so eine Lauer ein, was essen und trinken die Reisenden, wie ist ihr Verhältnis untereinander?

Es lässt sich nicht bestreiten, dass Tesson sein Handwerk versteht und die Erzählung in all ihrer Ruhe und Nachdenklichkeit einen guten Kontrast zu unserem hektischen Alltag fernab der Natur darstellt. Für meinen Geschmack war sie aber einfach zu langsam, zu philosophisch und persönlich, ohne dass der Bezug zum eigentlichen Thema hergestellt würde. Da hatte ich leider etwas anderes erwartet.