Die Einsamkeit unter Nachbarn und ein Schuh auf dem Dach

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Ein philosophischer Episodenroman von einem Schuh auf dem Dach und zehn verschiedene Versionen wie er dort hingekommen sein könnte. Dieser Teil der Inhaltsangabe hat mich Anfangs dazu bewogen, mich für das Buch „Der Schuh auf dem Dach“ von Vincent Delecroix zu interessieren. Als ich mit dem Lesen begann, fehlte mir schnell der philosophische Aspekt. Selbst der Schuh war mehr eine Randerscheinung, als ein beeinflussendes Element. Was ich schade fand, denn zehn Geschichten die sich rund um einen Schuh drehen, hören sich unterhaltsam an. Auch das fehlte Anfangs: Unterhaltung. Die Tatsache, dass ich für die erste Hälfte des Buches 2 Wochen und für den Rest wenige Stunden benötigte, lässt allerdings auf mehr hoffen. Mehr Unterhaltung, mehr Gedankengänge und mehr Schuh. Das Buch steigerte sich in meiner Wertung von ganz nett, auf großartig. Auch wenn ein kleines schlafloses Mädchen, ein verbitterter Exfreund oder ein Kulturkritiker nicht so sehr mein Interesse weckten, wie die Suche nach der Frau des Lebens, ein enttäuschter Hund und die Freundschaft zwischen einer alten Dame und einem Feuerwehrmann, so erkannte ich zum Schluss die Notwendigkeit aller Geschichten für das Gesamtbild. Dies wird nicht nur durch den Schuh geschaffen, das wäre eine zu große, rhetorische Aufgabe für so einen kleinen Gegenstand, sondern durch die einzelnen Verknüpfungen der Geschichten untereinander. Da beobachtet ein Nachbar den Anderen und hat hier und da ein Gerücht gehört, wovon wir bereits in einem Kapitel zuvor gelesen haben. Es ist fast so als würde man einen alten Bekannten treffen.

Es wird gesagt, das Buch handle vom Glück, von der Liebe, vom Schmerz, von der Trauer und vom Jungsein. Das tut es auch. Ich finde jedoch das jede Geschichte auf ihre Weise auf ein Gefühl hinaus läuft: Einsamkeit. Dieser Eindruck steigert sich von Kapitel zu Kapitel.

Ein Wohnblock, dutzende Nachbarn und ein Schuh der zu der Erkenntnis verhilft, dass man auch unter Menschen alleine sein kann. Dass ein Nachbar genauso fremd ist, wie Passant auf der Straße.

Ein wirklich gutes Buch ist für mich mehr als nur Unterhaltung. Ein gutes Buch gibt mir einen Gedanken, eine Erkenntnis oder ein Gefühl. „Der Schuh auf dem Dach“ ist ein solches Buch.