Durchwachsenes Ledermodell

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nahadriel Avatar

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Die ersten beiden Geschichte, die als Leseprobe zur Verfügung standen, haben mich auf das Buch sehr neugierig werden lassen und ich hab mich im Vorfeld wirklich sehr über die Gelegenheit gefreut, es in seiner Gänze lesen zu können.

Allerdings hatte ich fast den Eindruck, daß die ersten beiden Kapitel die Bewerbung für das französische Villen-Kunstförderprojekt war und der Autor nach der Annahme schon nahezu schludrig gearbeitet hat. Zwar bemerkte man stets die bemühte Leichtigkeit, aber eben auch nur, weil sie so sehr bemüht wirkte. Charmant waren eigentlich nur die Kapitel über das Mädchen, den Exliebhaber und die alte Frau. Durch den Rest mußte ich mich oft durchzwingen, weil die Qualität beständig abnahm. Grundsätzlich schön, fand ich das "Lösungsangebot" am Ende, die Geschichte des Engels der Einsamkeit - wobei allerdings der gekünstelte Einschub als Hinweis auf möglichen Irrealismus dieser Ursache meines Erachtens unnötig war, da es ja schließlich in jeder Geschichte um eine anderen Weg des Schuhs auf das Dach ging und so alles wahr und erfunden sein könnte; zusammen mit dem kleinen Mädchen des ersten Kapitels wäre es aber ein schöner Rahmen gewesen (wäre bloß dieses krampfhafte, dieses unnötige Bemühen um Leichtigkeit, Nonchalance, Offenheit nicht noch gewesen).

Die Idee dieses Buchprojekts war auf jeden Fall interessant und spannend, jedoch wird nie klar, ob es sich - wie im Klappentext angekündigt - tatsächlich um Betrachtungen eines Schuhs handelt oder viele kleine Geschichten in der bemüht ein Schuh untergebracht wurde (als Beispiel dafür sei hier der Weg des Fernsehmoderators in das Eremitentum genannt, insbesonders hier hatte ich den Eindruck, daß der Schuh im Nachhinein noch rasch in einem Nebensatz eingebaut wurde).

Stilistisch find ich es angenehm - so verweise ich an dieser Stelle auf die Verschachtelung der Geschichten, die Querverweise untereinander und vielleicht auch auf die bisweilen angedeutete ironische Selbstsicht als Autor eines solchen Buches. Delacroix kann sprachlich durchaus einiges leisten, allerdings glaube ich, daß er sich mit diesem Projekt übernommen hat bzw. es sich anders entwickelt hat als es geplant war.

Ich habe beileibe nichts gegen Bücher, die die Phantasie anregen, aber wenn mich der Autor und sein Werk mit dem Gefühl zurücklassen, ich müßte mir die ganze Geschichte selbst denken, hat sich das Lesen für mich überhaupt nicht mehr gelohnt.