Gutmenschen-Lektüre nett verpackt

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Die komplette Lektüre von Vincent Delecroix' Philosophie-Roman "Der Schuh auf dem Dach" bestätigt den Eindruck, den die erste Leseprobe hinterließ: Es ist schwierig, eine Geschichte zu kritisieren, die sich zuallererst so tiefgründig und einfühlsam in Szene setzt, aber genau diese vorgebliche Sensibiltät stört beim Lesen. Nur nicht anecken, alles richtig machen: Delecroix fühlt sich irgendwo als Mischung aus dem unerträglichen Paulo Coelho und Anna Gavalda, deren Thematik  des nachbarschaftlichen Mikrokosmos hier einige Crossreferenzen erfährt. Nein, kritisieren darf man so was eigentlich nicht, und so ist "Der Schuh auf dem Dach" wieder genau das, was sich viele wohl so erwarten - klassisch unterhaltende Belletristik für das montagliche Gespräch im Büro, Weiterempfehlungslektüre für Brillen-am-Kettchen-Tragende, die sich durch die Spiegel-Bestsellerliste lesen, um mitreden zu können. Das klingt härter als es gemeint ist, aber die Betreffenden werden wohl wissen, was ich meine ...

Literarisch ist Delecroix' Verkettung von zehn verschiedenen Geschichten um ein einzelnes Objekt (den titelgebenden Schuh) zumindest in der Einarbeitung der einzelnen Handlungsstränge durchaus gelungen; und wie der Autor seine Personen teilweise von einem Rahmen in einen anderen gleiten lässt, mag nicht neu sein, aber es erscheint ungeheuer sympathisch. Leider sind dann jedoch die kurzen Geschichten selbst entweder äußerst plump (Vater & Tochter, Literaturkritiker) oder nicht sehr übersichtlich (der Einbrecher) in Szene gesetzt, was den Lesefluss deutlich hemmt.

Im Endeffekt ist der "Schuh auf dem Dach", dieser wundervolle McGuffin, nur viel Lärm um wenig Essentielles: ein paar altkluge Parabeln, etliche Binsenweisheiten und ein paar dann wieder doch substantielle Betrachtungen später wird man mit jenem warmen, fluffigen Gefühl im Bauch entlassen, mit dem sich viele Leser aus der oben angesprochenen Gruppe wohlfühlen werden - andere (wie der Schreiber dieser Zeilen) haben eben damit zu kämpfen, dass dieses fluffige Gefühl zu einem zuckrigen Ball anwächst, der schwer im Magen liegt. That's life ...