Gut recherchiert, aufgearbeitet und geschrieben

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
avila Avatar

Von

Sture Bergwall, ein drogensüchtiger homosexueller Kleinkrimineller, wurde 1991 zum Mörder verurteilt. Sein Leben war bis dato von Pleiten und Pannen geprägt, die u.a. mit seiner (von ihm und seiner Umgebung) nicht akzeptierten Homosexualität zusammen hing. Um all das zu ertragen, wurde er schon als Jugendlicher abhängig von Drogen und Medikamenten. Als er als junger Mann im Rahmen einer Verurteilung in eine Klinik eingewiesen wird, die veraltete und haarsträubende Theraphiemethoden anwendet, nimmt sein Schicksal seinen Lauf...

Der Autor Dan Josefsson ist ein Journalist, der von Stures Bruder gefragt wurde, sich diesen Fall anzunehmen. Zuvor hatte ein befreundeter, aber inzwischen verstorbener Journalist, Hannes Råstam, in dem Fall recherchiert und Dokumentationsfilme und -bücher erarbeitet. Josefsson sah es nun als seine Aufgabe an, den Fall in seiner Komplexität aufzuarbeiten und dieses Buch ist sein Ergebnis.

Im Einstieg beschreibt der Autor wie Therapeuten und Ermittler zusammen mit Thomas Quick, wie sich Sture Bergwall in der Zeit, in der er als Serienmörder galt, nannte, eine Tatortbegehung durchführen und Quick versucht, sich an seine vermeintlichen Taten zu erinnern. Der Einstieg ist wohl gewählt und macht sofort Lust auf mehr. Doch da Josefsson nicht nur über den eigentlichen Skandal berichten wollte (nämlich dass ein unschuldiger Mann, 38 Morde gestand und für gut ein Dutzend davon verurteilt wurde), sondern diesem auf den Grund gehen wollte, er wissen wollte, wie sowas passieren konnte, springt er nach dem Appettithappen an den Anfang. Nachdem er erklärt hat, warum er eine besondere Person für diesen Fall speziell verantwortlich macht, beschreibt er sowohl Sture Bergwalls Lebensweg von Kindesbeinen an, sowie den Lebensweg dieser einen Person. Dabei beschreibt er u.a. auch, wie sich die Theraphieform, die sich Sture unterziehen musste, zusammensetzt. Hier tauchen schnell komplexe psychoanalytische Fachbegriffe auf und Theorien von Freud & Co werden erklärt. Josefsson versucht dies zwar herunterzubrechen, dennoch können diese Erklärungen schnell sehr abstrakt werden.

Im Anschluss an die biographischen Lebensläufe beschreibt der Autor detailliert Stures Theraphie und die Verhandlungen, Tatortbegehungen und Ermittlungen. Dabei zitiert er Protokolle und Krankenakten, beschreibt Videomaterial und berichtet von Interviewgesprächen. Da Sture Bergwall für 12 Morde verurteilt wurde, gibt es 12 Verfahren, Ermittlungen etc. Der Journalist berichtet im Rahmen der Vollständigkeit über alle Verfahren, m.E. um deutlich zu machen, dass immer nach dem gleichen Schema vorgegangen war, weil es wirklich unglaublich ist. Es gibt dazu einige Kritikpunkte, dass es das Buch zu langatmig macht. Ich persönlich habe das zwar streckenweise auch so empfunden, allerdings finde ich es absolut unerlässlich, dass der Autor hier nicht kürzt. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Sachbuch, wo es legitim ist, Kapitel oder Absätze zu überfliegen oder zu überspringen. Dennoch ist Vollständigkeit für mich sehr wichtig und Kürzungen hier fehl am Platze.

Dennoch behält er einen sachlichen Schreibstil bei und seine eigenen Interpretationen und Meinungen sind erkennbar. Alles in allem ist es gut und flüssig zu lesen, auch wenn es natürlich kein Nachmittagsschmöcker für graue Novembertage ist. ;)

Aber die intensive, tiefgehende Recherche findet sich in jeder Zeile, der Inhalt ist gut aufgearbeitet und strukturiert wiedergegeben. Für jeden Leser, den die Thematik interessiert und hier nichts anderes als ein gut geschriebenes Sachbuch erwartet, ist das Buch sicherlich eine Empfehlung!