Im Dunkel der Psyche

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emmmbeee Avatar

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Sture Bergwall, ein Patient der Psychiatrie mit leichtkriminellem und Drogenhintergrund, erzählt unter massivem Medikamenteneinfluss, dass er vor Jahren unter dem Namen Thomas Quick ein Massenvergewaltiger und Serienmörder gewesen sei. Bei den Nachforschungen, die dem Geständnis folgen, ist Bergwalls Rede wirr, er torkelt zum Tatort und wirkt insgesamt nicht sehr glaubwürdig. Man denkt trotz bestehender Zweifel, den Ausführenden der Morde dingfest gemacht zu haben. Die Justiz schiesst sich auf die offensichtliche Spur ein, froh, ein Ergebnis ihrer Ermittlungen vorweisen zu können, und macht ihm den Prozess.
Doch ist es wirklich so, wie sich die bestehenden Fakten darstellen? Wieviel davon ist Geltungsdrang, Narzissmus, Wahn, Medikamentensucht? Existiert die Person Thomas Quick vielleicht doch nicht nur in Bergwalls Phantasie? Wie kann man einem Menschen glauben, der unter Medikamenteneinfluss so diffus daherredet?
Der Leser beginnt, an den Fähigkeiten von Polizei, Justiz und Psychologie zu zweifeln. Warum lassen sie sich derart täuschen? Wie weit dürfen wir Ärzten und Polizei denn noch vertrauen? Die Psychologen dürfen sich die scheinbar erfolgreiche Täteranalyse an ihre Fahnen heften und Ruhm einheimsen – war das ihr eigentliches Ziel? Da werden Erinnerungen manipuliert, und begeistert stürzt sich die Polizei auf ein Geständnis, nur um gute Ermittlungszahlen zu generieren, auf der Karriereleiter emporzusteigen und vor der Gesellschaft glänzend dazustehen.
Ein Rätsel um das andere tut sich auf, schürt neue Zweifel und führt zu wieder anderen Erkenntnissen. Bergwalls bisheriges Leben wird aufgerollt, bis weit in die Kindheit zurück. Nacheinander erzählen verschiedene Leute von ihren Eindrücken und Erfahrungen mit ihm.
Im Mittelteil des Buches sind Fotos von Personen eingefügt, die eng mit Sture Bergwalls Leben und seinem Fall zu tun haben; Bilder von Psychologen, von Ortsbegehungen, Auszüge aus Polizeiberichten und Patientenakten.
Zu Beginn jedes Kapitels steht ein Zitat von Bergwall oder einer Fachkraft, eines Therapeuten oder Betreuers, passend zum Inhalt des Abschnitts. Schritt für Schritt dargelegte und detailreich recherchierte Einzelheiten, leicht verständlich geschrieben und packend geschildert, führt das Buch fast wie ein journalistischer Bericht durch den Fall. Das ganze Werk könnte mühsam zu lesen sein, immerhin ist es samt Anmerkungen 590 Seiten stark, doch die grosse Schrift hilft, sich leichter durchzuarbeiten.
Das Coverbild zeigt nächtliches Gestrüpp, im Vordergrund grell beleuchtet. Das passt gut zum Inneren eines psychisch kranken Menschen, aber nichts von dem, wonach man sucht, wird wirklich erhellt. Der Hintergrund bleibt erst recht in schwärzester Nacht verborgen.