Verwebung dreier tragischer Frauenschicksale

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“Der Sommer, in dem alles begann” von Claire Léost erzählt die tragische Geschichte von drei Frauen auf verschiedenen Zeitebenen, die sich 1994 in einem kleinen Dorf im Landesinneren der Bretagne begegnen.
Das Buch zeigt einen authentischen, ungeschönten Einblick, der eigentlich keine der Figuren wirklich positiv dastehen lässt, mit Ausnahme vielleicht von Hélène, und steuert mit fortschreitender Geschichte auf eine Tragödie zu, die mich noch längere Zeit nachdenklich zurückgelassen hat.

Der Schreibstil ist erzählend, nüchtern und hat mir sehr gefallen, da er die Geschichte und Stimmung gut transportiert hat. Allerdings vermittelt die Autorin in meinen Augen keinen allzu guten Eindruck von der Bretagne der 1990er. Für mich klingt das gesamte Werk nach einer persönlichen Abrechnung mit ihrer Kindheit/Jugend in der Bretagne und einer möglichen Versöhnung im Heute.
Es werden Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung und Gewaltbereitschaft, Grooming, sexueller Missbrauch und fehlende Kommunikation behandelt, in meinen Augen werden diese Themen allerdings nicht kritisch genug beleuchtet.
Aber auch die geschichtlichen Hintergründe, atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, regionalen Eigenheiten und das Festhalten an der bretonischen Sprache und Kultur werden hier thematisiert. Diese Einblicke fand ich sehr spannend.

Ich bin an der ein oder anderen Stelle leider sehr unzufrieden mit der Verwendung, dem Vergleich oder der Nebeneinanderstellung von speziellen Worten und Attributen. Auch wenn dies in das Denken der Zeit passt, in der der Großteil der Geschichte spielt, hätte man dies meiner Meinung nach heutzutage entweder umgehen oder kritischer einordnen müssen. Auch ein entsprechendes Vorwort hätte mir damit ein besseres Gefühl gegeben. Außerdem hätte das Buch definitiv Content Notes oder eine Triggerwarnung gut gebrauchen können, da viele schwierige Themen behandelt werden.

Insgesamt hat mir die Geschichte gut gefallen und ich würde diese mit 4 Sternen bewerten, da etwas zu viele Themen für knapp 240 Seiten enthalten, die alle eher oberflächlich behandelt wurden. Abzüglich meiner oben genannten Kritikpunkte bekommt das Buch eine Gesamtbewertung von 3,5 Sternen. Eine Empfehlung würde ich aussprechen, wenn man sich dieser vor dem Lesen bewusst ist und Interesse daran hat, einen eher ungewöhnlichen Blick auf die Bretagne zu erleben.