Schein und Sein in den goldenen zwanziger Jahren

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Die Amerikaner entdecken Europa, Sonnenbaden und Sonnenbräune, erklären geringelte Angler-Shirts zur neuen Mode und machen die ersten Schritte in Richtung Winterurlaub und Wintersport. Während die einen, reiche aber bodenständige Menschen wie Gerald und Sara Murphy, dem amerikanischen Kapitalismus entfliehen, um sie selbst zu sein, der Kunst zu frönen und ihre Kinder in einer Idylle erziehen zu wollen, besinnen sich andere, wie der junge Schriftsteller F. Scott Fitzgerald, der mit Diesseits vom Paradies erste Erfolge erzielte und mit The Great Gatsby am Broadway vertreten ist, der nun auch verfilmt werden soll, aus finanziellen Gründen den USA den Rücken zu kehren. Denn der Dollar ist in Europa mehr wert, was erlaubt, weiterhin einen recht ausufernden Lebensstil zu pflegen. Schulden und Vorschüsse des Verlags redet sich Fitzgerald selbst schön, denn schließlich arbeitet er an einem Buch, das seinen endgültigen Durchbruch bringen soll - bzw. er hat immerhin eine Idee diesbezüglich. Außerdem hat er seinem Verlag gerade Ernest Hemingway vermittelt und in Gerald und Sara Freunde gefunden, die zugleich Vorbilder sind. Wenn nur der Alkohol nicht wäre, der alles zu zerstören droht.
Launig geschrieben, findet man sich sehr schnell in der Welt der goldenen zwanziger Jahre und erfährt über Lebensweisen, die Fitzgeralds Stücke selbst so gut beschreiben. Besonders gut gelungen sind die Ausblicke in die Zukunft und die Vergleiche zur heutigen Zeit - eindrucksvoll das Beispiel, dass Fitzgerald und seine Frau Zelda in einem Monat 3.000 Dollar verprassten, was heute ca. 40.000 Dollar entspräche. Aufmerksames Lesen ist jedoch auch gefordert, um die vielen Details, angedeuteten Stimmungen und kleinen Ironien zu erfassen. Wer sich für mondäne Persönlichkeiten und schillernde Orte ebenso wie für die zwanziger Jahre interessiert, ist hier richtig.
Während die Titelgestaltung auf dem Cover stark an die Werke von Fitzgerald angelehnt ist, erscheint der gezeigte Strandabschnitt, die zusammengeklappten Sonnenschirme und Stühle im Sand ein wenig trostlos.