Die Schattenseiten des Fitzgerald

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evelynm Avatar

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Über Wochen hinweg schreibt F. Scott Fitzgerald an einem Brief an seinen Freund Ernest Hemingway, als dessen Mentor er sich sieht und dem er so manchen Ratschlag zu seinem Buch „Fiesta“ gibt. Vom Frühjahr bis zum Winter 1926 lebt er mit seiner kränkelnden Frau Zelda und seiner vierjährigen Tochter Scottie in dem kleinen Fischerdorf Juan-les-Pins an der Côte d’Azur, wohin er sich nach dem Scheitern seiner ehrgeizigen Ambitionen, sich von seinem hochgelobten und sehr erfolgreichen Erstlingswerk „Diesseits vom Paradies“ mit dem Roman „Der Große Gatsby“ in den „Rang der besten und seriösesten amerikanischen Schriftsteller“ aufzusteigen, zurückgezogen hat. Sara und Gerald Murphy, ein schillerndes Paar, das so Künstler wie z. B. Pablo Picasso, Cole Porter und Ernest Hemingway um sich schart, nehmen Scott und Zelda in ihren großen Freundeskreis auf. Allerdings macht sich bei Scott, der sich von seinen Freunden vernachlässigt fühlt und Konkurrenz durch Hemingway bekommt, immer mehr Frust breit: er trinkt, benimmt sich daneben, schreibt höchstens ein paar belanglose Briefe an Freude oder seinen Verleger Maxwell. Statt an seinem neuen Roman zu schreiben, denkt er sich mit seinem Freund Charlie im Rausch immer abstrusere und gefährlichere „Streiche“ aus, um von seiner Umwelt Aufmerksamkeit zu bekommen. Sein geringes Selbstvertrauen führt zu Selbstzweifeln und macht die ganze Situation nur noch schlimmer.

In „Der Sommer in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte“ wird das bunte Treiben an der touristisch noch nicht „erschlossenen“ Côte d’Azur bei Antibes lebendig, wo sich Amerikaner Villen bauen und das Savoir-vivre genießen. Ein bunter Mix aus Schriftstellern, Malern, Musikern und anderen Künstler gesellt sich um Sara und Gerald Murphy und nimmt den Leser mitten hinein in diese Welt. Emily Walton ist damit eine schöne, kleine und sehr kurzweilige Geschichte über F. Scott Fitzgerald und die Künstler dieser Zeit gelungen. Scott ist mir weder sympathisch noch unsympathisch. Es hat mich nur erstaunt, was er sich alles leisten konnte, ohne von seinen Freunden auf Dauer ausgeschlossen zu werden. Genie und Wahnsinn!?

Leider habe ich „Der große Gatsby“ bis heute nicht gelesen. Dann wird es doch mal Zeit, dies nachzuholen.