Ein Kuss wie ein Schubs

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ismaela Avatar

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"Ein Kuss wie ein Schubs" ist nur einer der Sätze, die mir bei dieser LP im Gedächtnis geblieben sind.
Schon das Thema hat mich neugierig gemacht, und den Diogenes-Verlag mag ich bezüglich seiner ausgefallenen Buchthemen sehr.
Der Prolog hat mich sehr in seinen Bann gezogen, der Schreibstil ist hier rasend schnell und atemlos (dem Geschehen angepasst), aber obwohl es eine sehr eindeutige Szene ist, will ich es noch nicht so recht glauben, dass die Frau tatsächlich springt. Vielleicht ist es ja nur eine Art Traum?
Die folgenden (Anfangs-)Portraits der ersten Personen, die vermutlich irgendwie mit der lebensmüden Frau in Verbindung stehen, wirken im Gegensatz zum Anfang leicht blass, aber das sehe ich (noch) nicht als negativ; man muss eine solche Geschichte ja auch erst mal aufbauen. Trotzdem war ich von den Personen ein winzig kleines bisschen "unüberrascht", wenn man das so ausdrücken kann. Zwar wirken sie in ihrer jeweiligen Beschreibung authentisch, aber trotzdem werden bestimmte Klischees dann doch wieder bemüht: der Polizist, der scheinbar stoisch einen Selbstmord verhindert und kühl bleibt, obwohl er danach nicht aufhören kann, seine Hände zu waschen. Oder die Frau, die sich für ihren Mann, der dem Fitnesswahn verfallen ist, sexy zurechtmacht, von ihm aber ausgebremst wird, und letztendlich die vorbereiteten Sachen in ihrem Kummer selbst verzehrt. Oder die hippe Cafebesitzerin, die in ihrem Retro- und Althergebrachtes-ist-besser-Korsett herumwandelt...
Insgesamt wirkt die Geschichte aber sehr durchdacht und interessant, und für ein ernstes Thema wie Suizid nicht effektgeil.