Trügerische Dorfidylle

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Dies war mein erstes Buch von Tana French. Das düstere Cover und der Klappentext sowie die Ankündigung es wäre ihr bestes Buch hatten bei mir hohe Erwartungen geweckt, die letztlich leider nicht ganz erfüllt wurden.

Cal Hooper, ein Ex-Cop aus Chicago hat sich ins ländliche Irland zur Ruhe gesetzt. Die Dorfbewohner haben ihn scheinbar freundlich aufgenommen und er genießt die Ruhe während er sein baufälliges Cottage renoviert. Diese wird jäh durch das Auftauchen eines Kindes (Trey) gestört, dass ihn zuerst beobachtet und schließlich bittet das plötzliche Verschwinden seines großen Bruders aufzuklären. Die Suche, auf die er sich begibt, führt ihn in die dunkelsten Abgründe.

Tana Frenchs Erzählstil ist sehr atmosphärisch und ausführlich. Das führt dazu, dass man die Landschaft, die Charaktere und ihre Emotionen sehr gut vor Augen hat und fühlen kann. Allerdings hat es auch zur Folge, dass es fast 120 Seiten dauert, bis die Handlung richtig Fahrt aufnimmt, als Cal einwilligt für Trey das Verschwinden des Bruder zu untersuchen. Als Ex-Cop hat er natürlich nur eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeiten, aber seine gezielten Nachfragen im Dorf stechen offenbar in ein Wespennest, mit weitreichenden Folgen für Cal und Trey. Er muss feststellen, dass die Dorfbewohner ihre eigenen Regeln haben, ebenso eine eigene Vorstellung von Recht und Gesetz. Die wahrhaft dunklen Abgründe, auf die er während seiner Suche stößt, lassen ihn am Ende daran zweifeln, ob das Dorf die richtige Heimat für ihn ist.
Gut gefallen hat mir die einfühlsame Schilderung von Trey, einem Kind aus einer sozial schwachen Familie, das nicht über das Verschwinden des für ihn so wichtigen großen Bruders, zu dem er aufschaute, hinwegkommt. Auch Cals Charakter war für mich sehr real und sympathisch gezeichnet und seine inneren Zweifel und Kämpfe gut nachzuvollziehen.

Wenn man zu diesem Buch greift, darf man keinen durchweg fesselnden und spannenden Krimi erwarten, den man kaum zur Seite legen mag. Es ist nunmal ein literarischer Krimi mit einem ausgefeilten Sprachstil, der eine gemächlichere Gangart anschlägt und der neben dem Kriminalfall auch das soziale Gefüge der Dorfgemeinschaft und ihre Regeln und Werte beleuchtet.
Die ersten 120 Seiten waren mir zu langatmig aber mit Beginn von Cals Suche nahm die Handlung endlich Fahrt auf und die unterschwellige Spannung zog mich in den Bann und ließ mich immer weiter lesen. Ich wollte unbedingt wissen, was mit Treys Bruder passiert ist. French sorgt noch für die ein oder andere überraschende Wendung und präsentiert ein Ende, dass mich überraschte, dass aber auch realistisch und glaubwürdig war. Ein bisschen fehlte mir noch, wie es mit Cal und Trey nach allem weitergeht, ein Epilog wäre daher schön gewesen.