Berührender Cosy Crime

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MEINE MEINUNG
Mit seinem Debüt „Der Tag, an dem Barbara starb“ präsentiert Richard Hooton einen charmanten, etwas eigenwilligen Cosy Crime mit unverkennbarem britischem Flair. Im Zentrum steht weniger der spannende Kriminalfall als vielmehr eine feinfühlig erzählte Familiengeschichte mit unerwarteter emotionaler Tiefe.
Gekonnt entfaltet Hooton eine ruhige und zugleich sehr berührende Geschichte, die vor allem durch ihre feine Melancholie, einfühlsame Beobachtungen sowie vielschichtige Charakterzeichnung überzeugt.
Im Mittelpunkt steht die verwitwet 89-jährige Margaret Winterbottom, eine liebenswerte Protagonistin, die allein in ihrem kleinen Häuschen in einem beschaulichen nordenglischen Dorf lebt, wo sie fast ihr ganzes Leben verbracht hat. Seit ihr Körper und auch ihr ehemals gutes Gedächtnis sie gelegentlich im Stich lassen, wird sie von ihrer beunruhigten Familie umsorgt und zunehmend bevormundet.
Als ihre beste Freundin und Nachbarin Barbara eines Abends tot aufgefunden wird und die Polizei bei den Mordermittlungen nicht vorankommt, beschließt Margaret selbst aktiv zu werden und eigene Nachforschungen anzustellen. Ausgerechnet jene letzten Worte, die die sichtlich beunruhigte Barbara ihr kurz vor ihrem Tod anvertraute, wollen Margaret einfach nicht mehr einfallen. Irgendwo zwischen ihren Erinnerungsfetzen könnte schließlich der Schlüssel zur Wahrheit liegen. Nur gut, dass sie sich auf ihren cleveren fünfzehnjährigen Enkel James verlassen kann, der sie bei der Aufklärung tatkräftig unterstützt und versucht, ihrem Gedächtnis wieder auf die Sprünge zu helfen.
Erzählt wird die Geschichte aus Margarets Perspektive, durchsetzt von Rückblenden, liebevollen Details und nachdenklichen Gedankengängen. Besonders eindrücklich gelingt Hooton der Einblick in das Innenleben und die Gedankenwelt seiner älteren Heldin, deren innere Zwiesprache mit ihrem geliebten verstorbenen Mann Albert zu den berührendsten Momenten des Romans zählt. Dabei offenbaren sich allmählich Einblicke in ihre bewegte Vergangenheit, die von einem verdrängten schmerzlichen Geheimnis überschattet wird.
Inspirieren ließ sich Richard Hooton von seiner eigenen Familiengeschichte und den Erfahrungen mit seiner verstorbenen, an Alzheimer erkrankten Großmutter. Mit seiner einfühlsamen Erzählweise und feinem Humor gelingt es ihm hervorragend, den Lebensalltag von Margaret und die vielen Facetten ihrer beginnenden Alzheimer-Erkrankung anschaulich und glaubwürdig einzufangen. Gekonnt verwebt Hooton die Themen Älterwerden, Krankheit, Verluste, Erinnerungen, Selbstbestimmung und familiärer Zusammenhalt mit der Kriminalhandlung.
Der Kriminalfall schreitet in gemächlichem Tempo voran, gewinnt jedoch zum Ende hin deutlich an Dynamik und Spannung, wenn Margaret im fesselnden Finale ihre Entschlossenheit beweist und das Rätsel um Barbaras Tod schließlich lüftet.
Die Geschichte lebt vor allem von der wundervollen und sehr authentisch angelegten Hauptfigur Margaret Winterbottom und ihren originellen Ermittlungen. Der Autor hat mit ihr eine ausgesprochen vielschichtige, charakterstarke Persönlichkeit geschaffen, die man mit ihren liebenswerten Eigenarten und ihren fortschreitenden Erinnerungslücken rasch in Herz schließt. Die resolute, clevere ältere Dame blickt auf eine interessante Lebensgeschichte mit einigen lang gehüteten Geheimnissen zurück, die sie schließlich zu enthüllen bereit ist. Berührend ist es, wie sie Man folgt ihr mit Empathie und wachsender Bewunderung, während sie trotz aller Widrigkeiten des Alters nochmals über sich hinauswächst und zeigen kann, was in ihr steckt.