Luisa lernt fliegen

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Meine Mutter, die Sommersprossen hat. Meine Mutter, die unter der Milchstraße lebt. Meine Mutter, die .. So viele Möglichkeiten und doch nur eine Wahrheit: meine Mutter, die mir ihre milchkaffeefarbene Haut, ihre abstehenden Ohren und ihre roten Haare vererbt hat und mich dann, als ich fix und fertig für diese Welt das Licht des Lebens erblickte, einfach rückgängig machen wollte - das ist Aza Inhalt Luisa wird von ihrer Mutter Aza direkt nach der Geburt aus dem Krankenhausfenster geschmissen. Nur durch Zufall kann sie von dem gerade vorbei laufenden Fergus gerettet werden, dem sie praktisch in seine Arme fliegt. Derweil flieht Aza zurück in ihre Heimat Brasilien und lässt Luisa bei ihrem Vater Paul und dessen WG zurück. Erst als Luisa älter ist und immer wieder nach ihrer Mutter fragt, begibt sich Paul mit ihr auf Spurensuche, die ihn von Hinterdingen bis nach Brasilien führt. Meine Meinung Luisas Start in ihr Leben darf man wohl getrost als ungewöhnlich bezeichnen. Wie kommt eine Mutter nur dazu ihr Neugeborenes aus dem Fenster zu schmeißen und sich dann auch noch unmittelbar danach aus dem Staub zu machen? Sie kann und sie tut es. Aza lässt ihr Leben in Deutschland zurück und flüchtet nach Brasilien. Man könnte nun annehmen, dass die Geschichte mit Luisa und der WG, in der sie aufwächst, traurig weiter geht, aber weit gefehlt. Stefanie Kremser hat mit Luisa einen wunderbar lebendigen Charakter geschaffen, der eine Leichtigkeit und gute Portion Humor in die Handlung einbringt, die mir sehr gut gefallen hat. Das Leben in der WG tut Luisa gut, denn jeder der Bewohner geht liebevoll mit ihr rum. Sie ist nie alleine, da sich außer ihrem Vater Paul immer jemand findet, der sich um sie kümmert und so wächst Luisa inmitten von Max, Irene und zeitweise sogar an der Seite ihres Lebensretters Fergus auf. Ihre Mutter spielt dabei zunächst keine Rolle, was auch damit zusammenhängt, dass alleine die Aussprache ihres Namens ein großes Tabu darstellt. Ganz wunderbar hat die Autorin in Worte gekleidet, wie nicht nur Paul unter der unerwiderten Liebe von Aza leidet, sondern wohl jeder der WG-Bewohner in dieser Hinsicht fühlt. Denn auch Fergus und Irene lieben eine verzweifelte Liebe, die nur in Schmerz und Enttäuschung mündet. Auch ein Erwachsener leidet unter seinen Begrenzungen und sehnt sich nach dem Unerreichbaren, und manchmal wird die Sehnsucht so groß, dass sie keinen Platz mehr hat im Leben. Und das Leben einfach platzen lässt, als wär's ein überpraller Luftballon. Erst als Luisa vier Jahre alt ist, stellt sie das erste Mal die Frage nach ihrer Mutter. Eine Frage, die zunächst unbeantwortet bleibt. Doch dann bricht die WG auseinander und zwingt Paul sich auf die Suche zu begeben. Nach Aza, nach Antworten, nach einem Abschluss der Liebe, die nur durch die Aussprache mit Aza abzuschließen ist. Die Suche nach Aza fängt für Luisa und ihren Vater in Hinterdingen an. Dort erfahren sie die Geschichte der Auswanderung der Dorfbewohner vor hundert Jahren nach Brasilien und dass Aza ihren Aufenthalt in Deutschland hier begonnen hat. Dieser Teil hat mir jedoch am wenigsten gefallen, weil er ziemliche Längen aufweist. Eine etwas straffere Erzählung der Hintergründe hätte mir besser gefallen. So erfährt man für mein Empfinden zu viel über Hinterdingen und seine Bewohner, was in dieser epischen Breite nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Paul und Luisa brechen nach einer schlaflosen Nacht nach Brasilien auf, wo sie ein neues Leben beginnen und auch Aza zu finden hoffen. Ob sie Aza finden, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, aber diese wundervolle Zitat aufführen, da es ganz hervorragend zu Luisa und ihrer Mutter Aza passt: ... Ich lernte, dass Liebe, ganz wie der Sinn des Lebens, ein ebenso ernstes und schmerzvolles Thema war wie Verlassenheit, ja, dass man lieben konnte, obwohl man verlassen worden war - und verlassen konnte, obwohl man liebte Fazit "Der Tag, an dem ich fliegen lernte" ist eine Familiengeschichte, die mir großes Vergnügen bereitet hat. Skurril, humorvoll, aber auch emotional und warmherzig führt Stefanie Kremser uns durch das Leben von Luisa, die eine wunderbare Protagonistin ist. Im Mittelteil schleichen sich zwar Längen ein, die den positiven Gesamteindruck jedoch nicht allzusehr schmälern. Klare Leseempfehlung!