Rezension zu "Der Tag, an dem ich fliegen lernte"

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mrsamy Avatar

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Luises Leben beginnt mit einem Flug – oder vielmehr einem Sturz, denn ihre Mutter Aza lässt sie kurz nach der Geburt aus dem Fenster eines Münchner Krankenhauses fallen. Doch Luise stirbt nicht. Während Aza geräusch- und scheinbar spurlos aus München verschwindet, fängt der junge britische Rugbyspieler Fergus das Baby auf. Er ist gerade zur rechten Zeit am rechten Ort. Paul – Luises Vater und Biologiestudent, ist mit der Situation völlig überfordert und bricht zusammen. Nicht nur ist seine große Liebe Aza auf Nimmerwiedersehen plötzlich und unerwartet verschwunden, sondern gleichzeitig ist er nun auch alleinerziehender Vater. Doch Paul bewältigt die Herausforderung, nimmt das Baby mit in seine Studenten-WG, in die kurze Zeit auch Fergus einzieht. Und so wächst Luise zwischen den verschiedensten Menschen wohlbehütet auf. Ihre Mutter bleibt dabei eher ein Geheimnis und manchmal träumt Luise vom Aza-Land, so nennt sie Brasilien – das Heimatland ihrer Mutter. Jahre später passiert ein Unglück und ein lang gehütetes Geheimnis kommt ans Tageslicht. Paul fasst einen Entschluss und gemeinsam mit Luisa begeben sie sich auf die Suche nach Aza. Was sie dabei alles erfahren ist schier unglaublich.

„Der Tag, an dem ich fliegen lernte“ ist ein Roman, der nicht ganz hält, was man sich von ihm verspricht – zumindest erging es mir so. Aber zuerst zu einigen allgemeinen Dingen. Lobenswert ist vor allem Stefanie Kremsers Schreibstil. Die Geschichte erlebt der Leser aus der Ich-Perspektive Luisas, allerdings im Rückblick. Man merkt, Luisa ist bereits erwachsen, als sie die Geschehnisse ihrer ersten Lebensjahre mit dem Leser teilt. Ihre Sprache ist auf gewisse Weise schnörkellos und kommt ohne unnötigen Ballast aus, und wirkt doch so lebendig, als sei man selbst mitten im Geschehen. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, besitzen je verschiedene, sie einzigartig machende Eigenschaften. Das Problem des Romans ist ein anderes. Irgendwie erwartet man als Leser, dass ein Wiedertreffen mit Aza mehr oder weniger im Mittelpunkt steht, um so die Geschehnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten. Dabei nimmt allein Luisas Älterwerden, der Alltag in der Studenten-WG viel Raum ein, noch viel mehr kommt die ältere Vergangenheit zum Tragen, gewinnt ein kleines bayrisches Dorf namens Hinterdingen eine entscheidende Bedeutung. Erst ganz zum Schluss kommen die Protagonisten und somit auch der Leser Aza näher, doch es muss enttäuschend bleiben, schon allein deshalb, weil der Roman an dieser Stelle nur noch wenige Seiten zählt. Von mir erhält „Der Tag an dem ich fliegen lernte“ trotzdem vier Sterne, weil Stefanie Kremser eindeutig beweist, dass sie eine großartige Schriftstellerin ist und für mich drei Sterne einfach zu wenig wären.