Ergreifend, erschütternd und eindrucksvoll!

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nordlicht Avatar

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"Der Tag, an dem Marilyn starb" wird auf zwei verschiedenen zeitlichen Ebenen und aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Die Handlung der von Ethie Coulter aus der Ich-Perspektive dargestellten Ereignisse setzt am 5.August 1962, dem Todestag von Marilyn Monroe, ein - und das ist auch der einzige Bezug, den dieser in der deutschen Fassung etwas unpassend betitelte Roman zu Marilyn Monroe hat. An diesem verhängnisvollen Tag wird die Mutter der Ich-Erzählerin, Lucy Coulter, auf dem Segelboot einer Freundin mit dieser zusammen tot aufgefunden. Die schockierte Familie, bestehend aus dem Vater Howard, den Brüdern Frankie und Kipper sowie dem Nesthäkchen Ethie, rätselt, warum Lucy sich auf diesem Segelboot aufgehalten hat und noch dazu untypischerweise ungeschminkt und total betrunken war... Durch den Tod der Mutter gerät die Welt der Familie Coulter völlig aus den Fugen. Der schon immer sehr in sich zurückgezogene Howard gibt sich nur noch dem Whiskykonsum hin, der älteste Bruder Frankie versucht, die Familie zusammenzuhalten und Ethie kümmert sich um ihren vom Down-Syndrom betroffenen Bruder Kipper. Der Leser erlebt hautnah, wie sehr die Kinder unter dem Tod ihrer warmherzigen, couragierten Mutter und der zunehmenden Entfremdung von ihrem Vater leiden.

Der zweite Erzählstrang aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers spielt in den Jahren 1941 bis 1945, in denen Howard als Freiwilliger in Hongkong diente und in japanische Kriegsgefangenschaft geriet. Die eindringliche Beschreibung der Gräuel, denen die britischen und kanadischen Gefangenen ausgesetzt waren, von Misshandlungen und Demütigungen durch die Lageraufseher über Zwangsarbeit und nagenden Hunger bis zu entsetzlichen Krankheiten bei katastrophalen sanitären und medizinischen Bedingungen, verlangt dem Leser starke Nerven ab.

Die beiden Erzählstränge wechseln einander ab, so wird es im Laufe der Zeit immer deutlicher, warum Howard sich so seltsam benimmt. Die Rückblicke auf die Kriegsjahre enthüllen nach und nach ein Geheimnis, das Howard seit Jahren mit sich herumschleppt und niemandem anvertraut hatte...

Der Schreibstil der Autorin hat mich sehr beeindruckt: er ist teilweise von brutaler Deutlichkeit (Kriegsszenen), andererseits von großer Wärme und tiefem Einfühlungsvermögen (Familiengefüge der Coulters) geprägt.

Dieses Buch ist keine leichtverdauliche Kost, aber es ist ein absolut fesselnder Roman, der den Leser auch nach der letzten Seite nicht so schnell loslassen wird.