Weißen Falken weisen den Weg in eine andere Welt

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Im 11. Jahrhundert ist England von den Normannen besetzt, die eine grausame Herrschaft ausüben. Der Leser wird gleich zu Beginn des Buches Zeuge, wie Normannen einen jungen Engländer hinrichten und von Hungersnöten geplagte Bauern zu Kannibalen werden. Sie werden von dem fränkischen Krieger Vallon und seinem Gefährten Hero vertrieben. Die beiden Männer haben sich ein Jahr zuvor in den Alpen kennengelernt. Der junge Grieche Hero hat auf der Reise seinen Meister Cosmas von Byzanz verloren. Der Gelehrte hinterließ aber ein Vermächtnis. Er sollte dem türkischen Sultan ein außergewöhnliches Lösegeld für den normannischen Ritter Walter von Olbec überbringen. Es handelt sich um sehr seltene und überaus kostbare weiße Gerfalken, die im hohen Norden Grönlands zu Hause sind. Vallon und Hero begeben sich an den Hof des Ritters von Olbec und stoßen bereits dort auf Widerstand. Walters Bruder Drogo ist von der Kunde, dass sein Bruder lebt, alles andere als begeistert. Einzig Walters Mutter Lady Margaret unterstützt die beiden Abenteurer dabei, eine Expedition in das ewige Eis zu starten. Mit wenigen Gefährten begeben sich Vallon und Hero auf eine gefährliche Reise, verfolgt von Drogo. Es gelingt ihnen, die Gerfalken zu fangen und an Bord eines Schiffes zu bringen. Ihre Erleichterung über den Erfolg hält nicht lange an. Auf einem Raubzug befindliche Wikingerkrieger stellen ihnen nach. Vallon und seine Gefährten müssen kämpfen und gelangen schließlich über das wilde Russland nach Anatolien an den Hof des Emirs. Nichts ist so, wie sie es sich vorgestellt haben.

Es ist das erste Buch des Autors Robert Lyndon, das ich gelesen habe. Ich war von dem flüssigen Schreibstil sofort begeistert. Das Buch vermittelt von der ersten bis zur letzten Seite Spannung sowie ungeahnte Wendungen.
Zu dem engeren Kreis der handelnden Personen gehören Vallon, Hero und der junge Falkner Wayland. Die Falknerei nimmt einen breiten Teil der Handlung ein, was ich sehr interessant finde. Weiße Gerfalken waren im mittelalterlichen England und anderen Teilen der Welt tatsächlich außergewöhnlich wertvoll.
Im Laufe der Erzählung offenbart sich dem Leser, dass in Wahrheit jeder der Beteiligten ein anderes Motiv hat, an den Hof des Emirs zu gelangen. Es geht nicht ausschließlich um die Befreiung des normannischen Ritters. Vallon wird von Schuldgefühlen geplagt und will Buße tun. Eigentlich ist er auf dem Weg nach Konstantinopel, als er auf den hilflosen Hero trifft. Auf der langen, gefährlichen Reise erfährt Vallon, was wahre Freundschaft bedeutet. Er muss gnadenlose Feinde bekämpfen und gleichzeitig Freunde opfern. Dabei wächst er über sich hinaus.
Hero weiß um ein weiteres Geheimnis, das sein Meister gehütet hat und Wayland sinnt auf Rache. Am Ende ihrer Reise finden sie sich in einer anderen Welt wieder.
Das Buch besticht durch fesselnde Dialoge und spannende Szenen, ist voller Atmosphäre. Der Autor hat interessante, starke, aber auch schwierige Protagonisten geschaffen. Er zeichnet ein lebendiges Bild des Mittelalters in der Zeit um 1072 n. Chr. in England, Nordeuropa, Russland und Anatolien.
Es wird offensichtlich, wie viel Mühe Robert Lyndon auf geschichtliche Recherchen verwendet hat.
Der Roman hat meine Erwartungen übertroffen und ich kann ihn Liebhabern historischer Bücher sehr empfehlen.