atemberaubend tief

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druckdeufel Avatar

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Die 17-jährige Cecelia, genannt CeCe, behauptet, den Tod ihres Bruders verschuldet zu haben. Sie wird festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt für Jugendliche in Piedmont verlegt. In der Abteilung für Verhaltenstherapie setzt sie sich in Gedanken mit ihrer Vergangenheit auseinander, noch ist sie zur Mitarbeit aber längst nicht bereit. Ihre Pflichtverteidigerin, die bis zum Beginn der Verhandlung CeCes Beweggründe erkennen will, sieht sich vor eine schwere Aufgabe gestellt.

Da CeCe ihre Situation aus ihrer Perspektive schildert, kommt der Leser ihr schnell näher als die Menschen, die sie umgeben, denn ihnen gegenüber verschließt sie sich komplett. Doch sind die Einblicke, die sie gewährt, sehr selektiv. Ihre Schuldgefühle und ihre Verstörung setzt sie in kritische Reflektionen und phantasievolle Metaphern um, mitunter in sarkastischem Ton, immer intelligent und anspruchsvoll. Um dem Entsetzen der Realität ein Stück weit zu entkommen, verengt sie in bestimmten Situationen die Augen. Und stellt fest, dass sie auf diese Weise ihre eigene, noch eben erträgliche Realität erschaffen kann. (Wenn ich die Augen zusammenkneife, sehe ich nur das, was normal ist. S.118)

Die Genesung, wenn es denn überhaupt eine gibt, wird ihr nicht leicht gemacht. Die Geschichte, die zur Eskalation führt, ist schrecklich, nicht unausweichlich, es gehören durchaus falsche Entscheidungen zu ihrem Werdegang, doch sie ist völlig glaubwürdig. Der Weg, den CeCe neben dem drogenabhängigen Bruder geht, ist qualvoll, die Verzweiflung, die übrigbleibt, atemberaubend tief.

Der Roman ist als Jugendbuch klassifiziert, empfohlen für Leser von 14 - 17 Jahren. Das Alter der Protagonistin und ihre Sprache sprechen deutlich dafür, auch der Themenbereich könnte hier von Interesse sein. Ich würde die Grenze aber höher ansetzen, zu sperrig geht CeCe mit dem Leser um, zu langsam erschließt sich ihr „Fall“. Keinesfalls sollte man sich von dem Cover täuschen lassen: Um das Wasser als Symbol für im Buch maßgebliche Gefühle gelten zu lassen, ist es definitiv zu blau, und die klaren, maritimen Farben sind von CeCes Innenwelt Meilen entfernt.