Oftmals trügt der Schein ...

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Das Cover finde ich wunderschön - in Wirklichkeit sieht es sogar noch viel schöner aus. Einzig und allein der Barcode, der darauf abgebildet ist, stört das Gesamtbild (ich verstehe den Zweck sowieso nicht, da er bereits auf der Rückseite vorhanden ist).
Stuart Turton hat es mit seinem bildgewaltigen Schreibstil geschafft, lebendige Szenen in meinem Kopf zu erschaffen, die von einer dichten Atmosphäre begleitet wurden. Schon auf den ersten Seiten war ich mittendrin im Geschehen und konnte beinahe die Meeresluft riechen und das Schaukeln des Schiffes spüren.

Erzählt wird die Geschichte aus vielen verschiedenen Blickwinkeln, die mir einerseits gut gefallen haben, mich andererseits aber auch verwirrt zurückgelassen haben. Als Leser*in wird man fast von der Fülle der Charaktere erschlagen, die in diesem Buch vorkommen, was mich das ein oder andere Mal ein wenig überfordert hat. Auch bis zum Schluss hatte ich Probleme, gewisse Personen auseinanderzuhalten und mir deren Namen zu merken (mein schlechtes Gedächtnis, was Namen betrifft, war mir da leider keine allzu große Hilfe).
Die einzelnen Charaktere wurden jedoch größtenteils gut und vor allem authentisch ausgearbeitet, auch wenn ich nicht ganz verstanden habe, warum Samuel Pipps eine derart große Rolle zugeteilt wurde, da er eigentlich erst gegen Ende eine relevante Rolle einnimmt. Zudem wirken fast alle Männer auf dem Schiff - mit ein paar Ausnahmen - eher blass und eintönig. Sie sind grob, gewaltbereit, raubeinig und behandeln Frauen, die einen gewissen Bereich des Schiffes übertreten, wie Freiwild.
Arent hat mir als Protagonist am besten gefallen. Er war sympathisch, höflich, besonnen, klug, manchmal etwas unsicher, besitzt einen Sinn für Gerechtigkeit und hat sich Sara gegenüber stets wie ein Gentleman verhalten.
Auch Sara, die so mutig, klug und hilfsbereit ist und sich einfach nur nach Freiheit sehnt und ihre wahnsinnig kluge Tochter Lia haben es mir angetan. Die beiden unterstützen Arent tatkräftig bei seinen Ermittlungen und wirbeln die Männerdomäne gehörig auf. Dabei widersetzen sie sich den damaligen Konventionen, da Frauen zu dieser Zeit eher als nettes Anhängsel für ihre Ehemänner angesehen wurden und sich auch dementsprechend zu verhalten hatten.
Im Laufe der Geschichte werden wir als Leser*innen mit zahlreichen Fragen überhäuft, auf die wir erst gegen Ende Antworten erhalten. Durch die sehr undurchsichtige Handlung und aufgrund der hohen Anzahl an möglichen Verdächtigen, hatte ich Schwierigkeiten, mir stets einen Überblick zu verschaffen. Jedes Mal, wenn ich dachte, ein Puzzleteil an die richtige Stelle gelegt zu haben, tauchten zwei weitere auf, die meine Theorie sprichwörtlich über Bord warfen. Das hat mir zwar auf der einen Seite durchaus gefallen, weil ich das Gefühl hatte, mich bei einer Schnitzeljagd zu befinden, allerdings fand ich es auf der anderen Seite auch etwas ermüdend und anstrengend. Das lag zum Großteil daran, dass die Handlung nur sehr, wirklich sehr, langsam an Fahrt aufnahm, sodass es leider zu einigen Längen - besonders im Mittelteil - kam. Meiner Meinung nach hätte die Geschichte auch locker um 150-200 Seiten gekürzt werden können, da so die Spannung auf einem konstanten Level geblieben wäre.
Positiv hervorheben möchte ich jedoch die fantastische Atmosphäre, die der Autor hier geschaffen hat. Das Setting ist sehr düster und bedrohlich und das Leben auf See wird rau und gefährlich dargestellt. Stuart Turton spielt mit den Genres, und so lässt sich das Buch lange nicht genau einordnen, was mir persönlich außerordentlich gut gefallen hat. Ich mochte diesen Genremix aus Krimi, unterschwelligem Horror, historischem Setting und Abenteuerroman.
Das Ende hingegen hat mich ehrlich gesagt unbefriedigt zurückgelassen, auch wenn ich nicht mit diesem Ausgang gerechnet hätte. Da ich nicht spoilern möchte, kann ich leider nicht genau benennen, was mich gestört hat. Ich kann nur so viel sagen: Ich hätte mir einen weniger "glatten" Abschluss gewünscht, da ich mit der abschließenden Entscheidung alles andere als zufrieden bin.

Fazit:
"Der Tod und das dunkle Meer" ist eine unglaublich atmosphärische Geschichte, die mit einer umfangreichen Schnitzeljagd, facettenreichen Charakteren und einem tollen Setting punkten kann. Einen Stern ziehe ich für den langatmigen Mittelteil ab, der deutlich an Spannung eingebüßt hat.
4/5 Sterne