Lord Chief Justice und die Kirchenmaus

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elke17 Avatar

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Die Autorin ist eine Insiderin, hat als Barrister und King’s Counsel (eine Berufsbezeichnung, die nur besonders qualifizierten Anwälten verliehen wird) ihr gesamtes Berufsleben im Inner Temple verbracht d.h. ihr beruflicher Hintergrund ist mit dem ihres Protagonisten Sir Gabriel Ward KC identisch, was ihrem Kriminalroman eine ganz besondere Authentizität verleiht. Aber ob sie in ihrer beruflichen Laufbahn sich auch jemals als Privatdetektivin wider Willen betätigen musste? Wer weiß…

1901. England bereitet sich nach dem Tod Königin Victorias auf die Krönung Edward VII. vor. Auch im Inner Temple, dieser von der Außenwelt abgeschirmten Enklave des Londoner Rechtssystems, trifft sich eine ausgewählte Gruppe von Anwälten, um eine Krönungsfeiereier zu organisieren, wie sie London noch nicht gesehen hat.

Als Sir Gabriel Ward, KC am frühen Morgen auf dem Weg zu seinem Arbeitsräumen innerhalb des Temple ist, findet er auf den Stufen davor die Leiche des Lord Chief Justice, der mit einem Tranchiermesser getötet wurde. Gibt es einen Zusammenhang mit dem gestrigen Treffen? Und warum hat der Täter auch noch Schuhe und Strümpfe des Toten mitgenommen? Sehr seltsam.

Die hinzugerufenen Kollegen sind mit Wards analytischen Fähigkeiten vertraut, und so wird ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er sich um die Aufklärung des Verbrechens zu kümmern hat. Widerspruch unmöglich. Ihm zur Seite gestellt wird Constable Wright, der allerdings als Externer wenig zur Aufklärung des Mordfalls beitragen kann. Für Ward hingegen kommt diese neue Aufgabe zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, da er mitten in einem Fall von Urheberrechtsverletzung steckt, in dem es um ein populäres Kinderbuch geht, das die Abenteuer der Temple Church-Maus Millie zum Inhalt hat und sich zum Bestseller entwickelt hat.

Wie sich aber im Verlauf der Ermittlungen herausstellen wird, ist er genau die richtige Wahl für diese Aufgabe, schafft er es doch mit der ihm eigenen Beharrlichkeit den Täter schlussendlich zu entlarven.

Sally Smith hat mit „Der Tote in der Crown Row“ einen Kriminalroman um einen verzwickten Mordfall abgeliefert, der mit der Erzählweise und Sprache (wunderbar übersetzt von Sibylle Schmidt) in der Tradition der englischen Klassiker des Genres steht. In erster Linie überzeugt sie durch die Authentizität des Handlungsortes und die atmosphärischen Beschreibungen des Lebens innerhalb dieses „closed room“ Inner Temple, was natürlich ihrer beruflichen Vergangenheit geschuldet ist. Aber glücklicherweise verliert sie auch den Blick auf die Lebensumstände der einfachen Menschen außerhalb dessen Mauern nicht aus den Augen. Ganz gleich, ob Polizist, Küchenmädchen oder Obdachloser.

Aber auch ihr Protagonist Sir Gabriel ist sehr gut gewählt. Kronanwalt und Außenseiter im Heer der Temple Richter und Anwälte, nicht nur mit besonderen beruflichen Fähigkeiten, sondern auch mit den persönlichen Macken (Zwangsstörung etc.), die ihn mir sehr sympathisch gemacht haben. Und natürlich hat er das Zeug zum Serienhelden.

Die Fortsetzung der Reihe ist im englischen Original „A case of life and limb“ für Ende des Jahres angekündigt. Ich hoffe, dass die Übersetzung nicht zu lange auf sich warten lässt.