Deutsche Psychothriller = Mehr Psycho als Thriller

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annajo Avatar

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Sibylle ist nachts in einem Park überfallen worden und hat dabei - so klischeehaft es klingt - einen Schlag auf den Kopf bekommen. Nun wacht sie zwei Monate später im Krankenhaus auf. In einem Raum ohne Fenster und ohne Beeper. Der Arzt weicht ihren Fragen aus und legt eine Art an den Tag wie "ein Psychiater mit seiner Patientin". Als er zudem leugnet, dass Sibylle einen Sohn hat, reißt ihr der Geduldsfaden. Doch die Merkwürdigkeiten enden nicht: keine Klinke, kein Lichtschalter, eingesperrt ... Sibylle gelingt die Flucht und sie muss feststellen, dass man sie in einem Keller festgehalten hat. Sie sucht die Personen aus ihrem Leben auf an die sie sich erinnert, doch alle behaupten, sie nicht zu kennen bzw. dass sie nicht Sibylle sei. Aber vor allem: dass Sibylle niemals ein Kind hatte. Sibylle ist verzweifelt und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Sie flüchtet vor der Polizei, die ihr ebenfalls nicht glauben und macht sich allein auf die Suche nach Antworten.

Die ersten Kapitel dieses Buches ließen die Panik von Sibylle wirken, als könnte man sie fast anfassen. Sprachlich weniger flach als viele andere Thriller, konnte mich der Schreibstil des Autors überzeugen. Auch wenn ich den Namen Sibylle nun nicht unbedingt poetisch finde, soll er vielleicht gerade das Allerweltliche transportieren, damit sich Leser leichter hineinversetzen können. Und das ist mir aufgrund des Schreibstils und der Ich-Perspektive sehr gut gelungen. Als Leser ist man überzeugt von Sibylles Sicht auf die Dinge und hält ihr Wissen für unumstößliche Fakten. Zwischendurch wechselt die Perspektive in die dritte Person, sodass man Sibylle zudem durch die Augen eines Dritten beobachtet, der für einen mysteriösen Doktor arbeitet. Auch wenn ich auf ca. Seite 120 heraus hatte, was passiert war, konnte ich das Buch die ganze Zeit vor Spannung kaum weglegen und war erstaunt, dass ich es schließlich so schnell durch hatte. Die Spannung ging trotz meines Verdachtes nicht verloren, da mir das Wie und Warum bis zum Ende nicht klar waren. Die Auflösung fand ich zudem dann auch glaubhaft und darüber hinaus sehr interessant. Was mich nur wundert ist, dass die Bösewichte zum Ende hin immer so redselig werden ...
Insgesamt finde ich es berechtigt, Strobels Buch mit den Büchern von Sebastian Fitzek zu vergleichen. Und Fitzek-Fans würde ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen. Mich freut zudem, dass es den deutschen Thriller-Autoren scheinbar gelungen ist, diesem Genre eine eigene Richtung zu geben. Im Vergleich zu amerikanischen Psychthrillern, gibt es weder jede Menge Leichen noch literweise Blut. Stattdessen geht es um psychologische Spannung, das Spiel mit Wahnsinn und Normalität und den Einfluss auf die Gedankenwelt. Das finde ich eine sehr positive Entwicklung, die dem Leser sehr gute, deutsche Psychothriller beschert, die sich längst nicht mehr verstecken brauchen. Ich bin schlichtweg von diesem Buch begeistert und lege es allen Fans von Fitzek-Büchern ans Herz. Auch den anderen Lesern würde ich einen Blick hinein auf jeden Fall empfehlen.