Ein Thrillerchen zum Vergessen

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r.e.r. Avatar

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Sibylle Aurich erwacht in einem fensterlosen Krankenhauszimmer. Sie ist ans Bett fixiert, neben ihr diverse Monitore. Kopf und Brust sind verkabelt, ihre Hand zückt eine Infusion. Sie kann sich weder an einen Unfall noch an sonst ein Ereignis erinnern, das den Aufenthalt in einem Krankenhaus notwendig macht. Als sie den zuständigen Arzt bittet ihren Mann und ihren Sohn von ihrem Aufwachen zu benachrichtigen, trifft sie ein Schock. Der Doktor teilt ihr mit, das sie nie einen Sohn hatte. Sibylle gelingt es aus dem Krankenhaus zu fliehen. Nur mit Slip und Klinikhemd bekleidet, macht sie sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit.

 

Arno Strobels Trakt liest sich flüssig und schnell. Für das ganze Buch habe ich ca. fünf Stunden gebraucht. Also in etwa die Länge einer Zugfahrt von Hamburg nach München. Genau zu diesem Zweck eignet sich das Buch auch. Es ist eine belanglose Lektüre die man en passant konsumieren kann um sie gleich darauf wieder zu vergessen. Was vom Verlag großmundig als Psychothriller bezeichnet wird, ist allenfalls ein Thrillerchen. Von übermäßiger Spannung kann keine Rede sein. Es sei denn man findet es spannend mit Bösewichten zu tun zu haben, die sich dann als gut herausstellen um sich am Ende doch wieder als Schurken zu entpuppen. Oder umgekehrt. Man hat den Eindruck, dass Strobel es da nicht so genau nimmt.

 

Als die verwirrte Sibylle barfuss und im Höschen die Regensburger Klinik verlässt, wird sie an der nächsten Straßenecke sofort von einer hilfsbereiten älteren Frau aufgelesen. Diese Rosie, rothaarig, mollig und ausgeflippt hilft ohne zu Fragen weiter. Kleidet Sibylle ein und fährt sie nach Hause. Nimmt sie in ihrem eigenen Haus auf und hilft ihr bei der Suche nach ihrem Sohn, nachdem Sibylles eigener Mann Johannes sie nicht wiedererkannt und auch den Sohn abgestritten hat. Selbst als die Polizei hinter Sibylle her ist, weil sie nicht die Person sein kann, für die sie sich ausgibt, hält Rosie ihr die Stange. Ein bisschen viel Selbstlosigkeit für meinen Geschmack. Von Unglaubwürdigkeit gar nicht zu reden. Aber vielleicht meint der Autor ja, das exaltierte Frauen mit feuerroten Haaren in jeder Situation hilfsbereit und vertrauensselig sind, ohne etwas zu hinterfragen. Das war so eine der Plattheiten die mich geärgert haben.

 

Gestört haben mich auch die offenkundigen Fehler. Sibylle, die ohnehin schon wenig einnehmende Heldin, schafft es zum Beispiel vier Tage lang praktisch ohne Essen und Trinken auszukommen. So lange dauert die Odyssee von der Krankenhausflucht bis zum Happy End. In dieser Zeit ernährt sie sich von einer Käsesemmel und einer Portion Rührei mit Speck. Sie trinkt ein Glas Weißwein und zwei Cola Cognac. Das war’s. Mehr gibt der Text nicht her. Selbst bei den besten körperlichen Voraussetzungen hätte sie vor dem Grande Finale von ganz alleine schlapp gemacht, ohne das man sie extra noch mit einer Pistole hätte bedrohen oder niederschlagen müssen. Hier und da mal eine Flasche Wasser hätten der Handlung nicht geschadet, ihr aber sicher mehr Sinn für Realität verliehen.

 

Ein dicker Hund ist auch die Hotelzimmerreservierung in München. Sibylle und der gute/böse Bulle/Schurke Christian/Robert fahren nach München um dort etwas nachzuforschen. Aus dem Text geht eindeutig hervor, dass es sich um die “Wiesnzeit” handelt. Also die Zeit in der in München das Oktoberfest stattfindet. Dennoch finden die beiden auf Anhieb in einem guten Hotel in Hauptbahnhofnähe! zwei freie Einzelzimmer. Ihr Verfolger bekommt auch noch eines im selben Hotel und die gute Rosie ebenfalls, wenn auch im Hotel gegenüber. Wer jemals zur Oktoberfestzeit in München war oder irgendwie damit zu tun hatte, weiß dass die Hotelzimmer für diese Zeit sämtlich ein Jahr im voraus ausgebucht sind. Wenn nicht länger. Gut, ein Autor aus Trier und ein Verlag aus Frankfurt am Main können das nicht unbedingt wissen. Aber schlampige Recherche ist es allemal.