Identitätsverlust - ein beklemmendes Szenario

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nordlicht Avatar

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Als Sibylle Aurich in  einem Krankenhausbett zu sich kommt, weiß sie nicht mehr, was ihr zugestoßen ist, sie glaubt sich lediglich daran zu erinnern, dass sie gesehen hatte, wie ihr siebenjähriger Sohn Lukas von einem bulligen, tätowierten Mann in ein Auto gezerrt und entführt wurde. Ihre Besorgnis weicht einem Schock, als ihr behandelnder Arzt Dr.Muhlhaus behauptet, sie habe gar keinen Sohn, sondern bilde sich das nur ein, da sie aufgrund eines harten Schlages auf den Kopf bei einem Überfall und durch ein anschließendes zwei Monate währendes Koma geistig verwirrt sei.

Sibylle gelingt es, aus der Klinik zu fliehen, wobei ihr eine ältere Frau namens Rosie Wengler hilft. Rosie fährt Sibylle nach Hause zu ihrem Mann, doch ihr Mann erkennt sie nicht. Auf den Hochzeits- und Urlaubsbildern im Haus ist eine andere Frau abgebildet. Auch Sibylles beste Freundin Elke behauptet, sie nicht zu kennen, dasselbe erlebt sie mit ihrer Schwiegermutter und ihrem Chef.

Haben sich diese Personen alle gegen sie verschworen, oder ist sie etwa gar nicht Sibylle Aurich? Wie kommt es dann, dass sie sich im Leben der Sibylle Aurich bestens auskennt? Auf der folgenden Odyssee findet Sibylle nur Rückhalt bei drei Personen: Rosie, Christian Rössler, dessen Schwester sich in einer ähnlichen Lage befinden soll und  Kommissar Wittschorek, dem einzigen Polizisten, der sie nicht für geistesgestört hält. Allerdings erweckt jeder dieser Helfer Misstrauen gegen die anderen, sodass Sibylle nie sicher sein kann, wem sie vertrauen kann und wer mit ihren unsichtbaren "Gegnern" unter einer Decke steckt.

Sibylles Lage wird äußerst eindringlich und anschaulich dargestellt, der Leser erlebt die schreckliche Beklemmung mit, die einen Menschen bei der Vorstellung befällt, seine Identität zu verlieren und niemandem mehr - nicht einmal sich selbst! - vertrauen zu können. Der Spannungsbogen ist durchgängig straff gehalten, man kann den Roman nicht zur Seite legen, bevor das Rätsel um Sibylle gelöst ist. Die "medizinwissenschaftliche" Thematik dieses Thrillers ist sehr faszinierend und gleichzeitig beängstigend, da man die Möglichkeit, dass solche Machenschaften in näherer Zukunft Realität werden, nicht ausschließen kann.

Mich hat es lediglich verwundert, dass Sibylle sich so lange mit der Frage, ob sie ein Kind hat oder nicht, herumgequält hat: ein Besuch beim Gynäkologen (Inspektion des Muttermundes) hätte diesbezüglich schnell Klarheit geschaffen. Aber dann wäre das Buch vielleicht kürzer ausgefallen. ![](http://www.vorablesen.de/modules/fckeditor/fckeditor/editor/images/smiley/msn/wink_smile.gif)

Für Freunde intelligenter und rasanter Thriller ist "der Trakt" unbedingt empfehlenswert.