Psychothriller - für Einsteiger und für Fans

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nickimaus Avatar

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Auf dieses Buch war ich auch sehr gespannt, da es  ja schon eine ganze Weile in aller Munde ist und es fast durchweg gute Bewertungen und Rezensionen bekommen hat. Richtig enttäuscht bin ich zwar jetzt nicht, aber trotzdem hat mir irgendwie der kleine letzte Kick gefehlt, der dieses Buch in den Bereich "Großartig" bugsiert hätte.

Vor allem den Beginn und den ersten Teil der Geschichte fand ich ganz stark, da sich von Anfang an atemlose Spannung breitgemacht hat und der Autor es auch geschafft hat, dass ich eine emotionale Bindung zu der Protagonistin aufgebaut und sehr mit ihr mitgefiebert und mitgelitten habe. Wie schlimm mag das für jemanden sein, zu wissen, dass man einen Ehemann, ein Leben und vor allem einen Sohn hat, dies einem aber abgesprochen wird und niemand mehr auf der Welt ist, den man trauen kann und man quasi ein nicht existierender Mensch ist? Die Verzweiflung von Sybille und trotzdem ihr ungebrochener Kampfeswillen wurde vom Autor sehr gut zu Papier gebracht.

Weiterhin fand ich die Figur des Hans sehr interessant und er hätte ein facettenreicher Charakter werden können. Wäre das Buch ein bisschen länger gewesen, und das hätte es auch sicherlich um 100 Seiten sein können (meist ist es ja eher umgekehrt!), hätten mir vor allem weitere Details aus seiner bewegten Vergangenheit interessiert. Sehr gut fand ich bei ihm auch noch die für mich irgendwie sichtliche innere Zerrissenheit, einerseits einem Befehl folgen zu wollen, andererseits seinen Drang, alles zu hinterfragen, z.B. was scheinbar kleine Ereignisse für eine große Wirkung haben können. Ansonsten fand ich die Personen nicht besonders tiefgründig, wobei dies aber meiner Meinung nach für einen relativ kurzen Psychothriller mit viel Action auch nicht besonders relevant ist. Relativ nervig und auch etwas unglaubwürdig fand ich dagegen Rosie, z.B. ist sie mir ein bisschen zu arg sicher mit einer Waffe umgehen und das andauernde "Schätzelchen"-Gelaber und ihr Ton im Allgemeinen hat nicht unbedingt meinen Nerv getroffen.

Hat mir anfangs die von Arno Strobel gestiftete Verwirrung (Wer ist gut? Wer ist böse? Wem kann Sybille trauen? Wer weiß was? Wer macht ihr was vor? Wer steckt hinter allem?) noch sehr gut gefallen, wurde mir dies im Laufe des Buches und vor allem am Ende dann schon zuviel. Manche Personen machen einen mehrfachen Charakterwechsel durch, was ich doch etwas übertrieben fand. Aufgefallen ist mir auch, dass der Autor dem Leser in Bezug auf die Person Christian schon ein bisschen zu viele Hinweise gegeben hat, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Herr Strobel, ein bisschen Mitdenken können wir auch!

Die Geschichte kommt ohne viel Blutvergießen und brutale Szenen aus, was hier auch nicht passend gewesen wäre, sondern konzentriert sich auf die psychische Belastung der Hauptperson. Das Ende fand ich dann auch ziemlich spannend, auch wenn sich eine gewisse Kontur der Auflösung für mich schon länger beim Lesen breitgemacht hat und somit die ganz große Überraschung ausblieb. Als zu kurz fand ich den Showdown in Bezug auf die Seitenanzahl von unter 350 nicht, sondern genau angemessen.

Alles in allem ist "Der Trakt" ein spannender, fesselnder, gut durchdachter und schnell zu lesender Psychothriller mit kleinen Schwächen, den ich ohne mit der Wimper zu zucken an Genre-Fans, aber auch an Einsteiger in die Welt der Psychothriller, weiterempfehlen würde.