Eine Frage der Generationen

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fräulein_jennifee Avatar

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Wem gelten denn nun meine Sympathien? Der lebensfrohen, aber oft auch einfältigen Sally? Josefin, die mitten in den Zwanzigern steckt und von einem Projekt zum nächsten springt? Oder doch Vanja, die vor jedem Konflikt am liebsten davonläuft und dabei ein Herz nach dem anderen bricht? Auch im zweiten Teil der Jahreszeiten-Saga von Anna Fredriksson bin ich immer wieder über diese Frage gestolpert.

Frederiksson entführt den Leser in das schwedische Fischerörtchen Kivik, wo Josefin, Sally und Vanja, drei Frauen, die derselben Familie entstammen, jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten, mit den großen Fragen des Lebens kämpfen, um am Ende ihren Platz in der Welt zu finden. Dabei geht es um Liebe ebenso wie um verletztes Vertrauen und die Frage, was Familie eigentlich bedeutet - und was sie sein kann, wenn man sich ihr nur anvertraut. Am Ende der Reise wartet dann die Entdeckung, dass Probleme gelöst werden können, sobald man gemeinsam an einem Strang zieht.

Zwischenzeitlich wirkt die Handlung des Romans in einigen Teilen recht konfus. Beinahe hat man den Eindruck, als hätte Frederiksson selbst nicht immer gewusst, wohin sie mit diesem zweiten Teil eigentlich will. So folgt man Josefin nach Kopenhagen, wo diese einen Job annimmt, den sie nur wenige Kapitel später wieder aufgibt. Dennoch wirkt mindestens das Geheimnis rund um Vanjas Vergangenheit faszinierend genug, um zum Weiterlesen zu motivieren. Dennoch machen sich die drei Heldinnen beim Leser nicht immer beliebt. Zu häufig treffen sie unüberlegte Entscheidungen, und laufen damit sehenden Auges in ihren eigenen Untergang. Doch oft sind es am Ende gerade diese Fehlentscheidungen, die eine Ebene eröffnen, auf der sich der Leser mit ihnen identifizieren kann. Vor allem Vanja wirkt allein dadurch, dass sie ihrer Angst vor dem Tod nachgibt, weitaus menschlicher und nahbarer.

Es ist Frederikssons Stil, der das Buch zu einem Lesegenuss sondergleichen macht. Sie hat sich einem schonungslosen Realismus verschrieben, der einem an so mancher Stelle geradezu unter die Haut geht. Etwa, wenn es Josefin vor den “nichtssagenden” Gesprächen mit den Nachbarn graut und sie sich lieber auf die Couch werfen würde, um eine Serie zu “glotzen”. Was auf den ersten Blick vielleicht Unverständnis hervorruft, verwandelt sich bei näherem Hinsehen in eine Tür zur Seele der Protagonistin.

Zwar ist der Silberstreif am Horizont gegen Ende des Romans noch in verhaltenen Pastellfarben gehalten, dennoch stammt er aus der Feder (oder viel mehr dem Pinsel) von Vanja Larsson. Er steht für Verantwortung, für die Liebe einer Mutter zu ihrer Tochter. Vor allem aber steht er für die Hoffnung, die Schatten der Vergangenheit endlich als das zu begreifen, was sie sind: Eine Möglichkeit, die Zukunft in helleren, bunteren und freundlicheren Farben zu gestalten.