Die Anfänge des Kinos in Deutschland und eine besondere Liebesgeschichte

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gluexklaus Avatar

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„Das ist die Kunst des Regisseurs“, erwiderte Tino. „Er schafft in unseren Köpfen eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. So ähnlich wie der liebe Gott. Der gaukelt uns ja manchmal auch Dinge vor, die nicht existieren. Zum Beispiel im Traum. Oder in der Liebe“.

Konstantin Reichenbach, der aus einer erfolgreichen Bankiersfamilie stammt, kehrt 1917 aus dem Krieg zurück. Mit einer Vision. Er möchte in Deutschland eine Filmgesellschaft gründen, eine Traumfabrik, die Hollywood Paroli bieten kann. Doch die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland ist nicht stabil, Tino braucht einflussreiche Verbündete.
Rahel Rosenberg will unbedingt Journalistin werden, doch ihre Texte werden bisher immer von dem verantwortlichen Redakteur abgelehnt. Rahel arbeitet daher als Krankenpflegerin in einem Lazarett, wo sie Konstantin Reichenbach kennenlernt. Beide mögen sich auf Anhieb, aber ihre Beziehung verläuft nicht ohne Komplikationen.

Peter Prange schreibt abwechselnd aus der Sicht seiner Protagonisten Konstantin „Tino“ Reichenberg und Rahel, aber auch aus der Perspektive von Tinos Mutter Constanze Reichenberg oder Tinos Freund und Geschäftspartner Erich Pommer. Pranges Schreibstil ist klar strukturiert, gut verständlich und lässt sich flüssig lesen. Der Text ist in viele kurze Kapitel unterteilt, die oft genau dann enden, wenn es besonders spannend wird. Danach findet meist ein Schauplatz-, Perspektiv- oder Situationswechsel statt. Die äußere Aufmachung des sehr dicken „Wälzers“ finde ich gelungen. Das Cover zeigt ein „Filmtheater“, wie es typischerweise in den Zwanziger Jahren aussah, auf dem Vorsatzpapier ist der Traumpalast, der UFA-Palast am Zoo in Berlin abgebildet.

Peter Pranges Hauptfiguren sind interessant und alles andere als durchschnittlich, sie haben das Zeug für eine echte Hollywoodliebe. Dass sich beide auch als Verlobte noch siezen, spricht Bände. Rahel ist intelligent, gebildet, leidenschaftlich, ehrgeizig, stolz und schön. Auch Tino weiß genau, was er will. Er hat ein besonderes berufliches Ziel, für das er fast alles tun würde, privat droht er allerdings, „verloren“ zu gehen. Während Rahels Eltern ihre Tochter vergöttern, entspricht Tino nicht den Erwartungen seiner Eltern. Er muss es ohne ihre Unterstützung schaffen.
Rahel und Tino sind typische Prange-Charaktere, sie sind nachvollziehbar und authentisch gezeichnet, aber bleiben immer auch ein kleines bisschen unnahbar, werden eher auf nüchterne, sachliche als auf emotionale Art beschrieben, sind daher nicht durchweg sympathisch. Sie lassen der Phantasie noch etwas Raum.
Neben fiktiven Figuren wie die beiden Hauptfiguren oder Tinos „schwierige“ Mutter Constanze, wirken viele historische Figuren mit: Erich Pommer, Emil Georg von Stauß, Alfred Hugenberg, Major Alexander Grau und viele weitere. Dass fiktive Figuren auf real historische treffen, finde ich sehr spannend.

Peter Prange erzählt sehr ausführlich, wie es zur Entwicklung der UFA kam, dabei spielen aber eher das Geschäftliche, die Firma selbst, die politischen Entwicklungen Hauptrollen, die Leidenschaft für den Film und die Kunst ist nur ansatzweise zu spüren. Filme sind Träume, aber gleichzeitig eben auch knallhartes Geschäft. Den Konflikt zwischen Kunst und Wirtschaftlichkeit stellt ein Dialog zwischen Tino und Erich Pommer treffend dar:
„Geld regiert die Welt.“, erklärte er. „Film ist ein Geschäft wie alles andere auch.“
Pommer hatte dafür nur ein verächtliches Schnauben „Film ist kein Geschäft! Film ist Kunst!“
„Aber Kunst geht nach Brot. Sonst ist es zur Brotlosigkeit nur ein Schritt.“
Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass die Filme inhaltlich noch etwas mehr in den Fokus gerückt werden, dass die Emotionen beim Filmemachen und Anschauen noch deutlicher durchkommen.

Im Nachwort erklärt der Autor, welche Frage ihn beim Schreiben umtrieb: „Wie war es möglich, dass die Generation meiner Großeltern, aufgewachsen in einer Kulturnation wie Deutschland und mit Goethe und Kant im geistigen Gepäck, in den zwanziger Jahren Hitler den Weg zur Macht ebnen und ihm in die Barbarei des Nationalsozialismus folgen konnte?“.
Diese Frage spielt in „Der Traumpalast- Im Bann der Bilder“ eine ganz entscheidende Rolle. Die komplexen politischen Zusammenhänge, die Anfänge der Entwicklungen, die Hitlers späteren Aufstieg ermöglicht haben, werden sehr genau geschildert, für mich manchmal zu detailliert und umfangreich. Mich erreicht Peter Prange vor allem dann, wenn er von Menschen erzählt, die durch die Geschichte beeinflusst werden, die konkret die Geschichte leben und erleben.
Auch wenn die Handlung mitunter etwas gestraffter hätte erzählt werden können - gerade wenn es ums nüchterne Geschäft, die komplexe Wirtschaftssituation und um Politik geht - hat mich der Roman durchaus gepackt und gut unterhalten. Nicht der beste Roman des Autors, „Eine Familie in Deutschland“ hat mich noch mehr überzeugt und emotional mitgenommen, aber eine durchaus interessante und lesenswerte Lektüre. Ich bin sehr gespannt, wie es mit Rahel und Tino weitergeht.