Opulente Geschichtsstunde aus der Weimarer Republik – allerdings auch mit einigen unschönen Längen.

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kleinervampir Avatar

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Buchinhalt:

Berlin in den 1920er Jahren: Nach dem Leid des Großen Krieges bahnt sich ein neues Lebensgefühl bei den Menschen an. Freiheit ist das neue Zauberwort, verwirklicht wird sie in Tanzpalästen, Cabarets und vor allem mit einer neuen Erfindung: dem Kino! Der UFA-Filmpalast ist das neue Großprojekt, daran beteiligt: Tino Reichenbach, Sohn des gleichnamigen Bankhauses. Während sich die glitzernde Kinowelt immer weiter etabliert, will Rahel Rosenberg nur eines: Journalistin werden. Doch als Frau hat sie in der von Männern dominierten Branche so gut wie keine Chance….


Persönlicher Eindruck:

Auf 800 Seiten breitet Bestsellerautor Peter Prange die Welt der Goldenen Zwanziger Jahre vor seinem Leser aus, eine Epoche des Umbruchs und Neuaufbruchs. Basis der Erzählung ist die UFA-Traumfabrik - die Welt der bewegten Bilder, von Stummfilmgrößen wie Pola Negri, von riesigen Lichtspielhäusern, vom Traum einer neuen Freiheit.

Gut und detailreich recherchiert ist der politisch-historische Hintergrund mit zahlreichen historisch belegten Personen, Fakten und Ereignissen. Prange gelingt es vortrefflich, die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse und Strömungen zu kanalisieren und bildhaft zu machen, wie den schwärenden Judenhass und die Umtriebe rund um die neu gegründete NSDAP von Adolf Hitler.

Mittenhinein setzt der Autor seine beiden Hauptfiguren, Tino und Rahel.

Tino ist ein Lebemann, ein Gigolo, dem alle Frauen zu Füßen liegen. Diese Tatsache nützt er zu Beginn auch aus, ändert sich jedoch weitestgehend, als er Rahel kennenlernt. Über Tino bekommt der Leser auch Einblick in die neu gegründete UFA-Filmgesellschaft und deren Finanzierung. Ein bisschen schrullig (sein Nelken-Tick) aber durchaus authentisch, eine Figur mit Potential: Tino macht eine sichtbare Entwicklung durch währen des Romans.

Rahel als Tochter eines jüdischen Schneiders, der ursprünglich aus Breslau stammt, repräsentiert das Bürgertum. Die wohlbehütete Tochter strebt eine Zeit lang eine Karriere als Journalistin an, was ihr allerdings nicht gelingt. Rahel ist ein sehr unabhängiger aber auch starrköpfiger Charakter und ich hatte über 800 Seiten mit dieser Figur ein Problem: Rahel war mir leider alles andere als sympathisch. Schon allein ihre Abmachung, die sie mit Tino trifft und die ihr eine (sexuelle) Unabhängigkeit garantieren soll, fand ich ehrlich gesagt daneben. Mit der Treue nimmt sie es nicht so genau und Tino passt auch nur so lange in ihren Lebensentwurf, wie sie einen Vorteil aus der Beziehung zieht. Identifikationspotential bringt Rahel leider nicht mit, zumindest nicht für mich.

Meine Kritik an diesem wirklich episch-geschichtlichen Werk ist leider in der fulminanten Recherche Pranges begründet. So geschichtsträchtig sein Ausflug in die Zwanziger Jahre auch ist, so wenig schafft er es, die wirklich wichtigen Details auf den Punkt zu bringen. Dadurch wird die Lektüre an vielen Stellen unangenehm in die Länge gezogen und wirkt total überfrachtet. Diese Langatmigkeit stört wiederum die fiktive Romanhandlung, so dass man auf der letzten Buchseite ehrlich gesagt auch ein wenig erleichtert aufatmet.

Die Passagen über die UFA, das eigentliche Kernstück der Geschichte, präsentieren sich größtenteils trocken und gleichförmig. Es geht so gut wie immer nur um die Finanzierung der Filmprojekte, nie en Detail auch mal um Dreharbeiten, Schauspieler, Filmsets. Das fand ich schade und hatte ehrlich gesagt mehr zum Thema (Stumm-)Film erwartet. Vielleicht erfährt man ja mehr in Band 2.

Insgesamt war es eine sehr umfangreiche Geschichtsstunde mit authentischem Zwanziger-Jahre-Flair, aber auch mit Längen, die den Lesegenuss wieder schmälern. Das kann Prange durchaus noch besser!