Belle Époque und Bratensemmel

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mariederkrehm Avatar

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Es liegt eine Tristesse über diesem dritten Fall des Münchner Ermittlers Major Wilhelm von Gryszinski. Zwar spielt sich die Jagd auf den Mörder, verbunden mit der Suche nach einem verschwundenen Diplomaten, im Jahr 1896 ab, doch es ziehen bereits dunkle Wolken über Europa auf. Und mit dem Wissen der Spätgeborenen wirkt die mondäne Reise, die der Kommissar im Sinne der Wahrheitsfindung nach Paris unternimmt, begleitet und zugleich getarnt von seiner schriftstellernden Ehefrau Sophie, auf uns wie ein bittersüßer Abschied von der champagnerbefeuerten Aufgekratztheit der Belle Époque.

Ernüchtert erleben wir im selben Band, wie es Friedrich Gryszinski ergeht, dem Sohn des Majors, der zwanzig Jahre später die Sorglosigkeit jener Generation in den Schützengräben von Verdun ausbaden muss. Aufgewachsen mit den immerwährenden Überlegungen zum schwierigsten Fall in der Karriere des Vaters, holen ihn die Gespenster der rätselhaften Affaire von damals ausgerechnet im Krieg wieder ein.

Gryszinski - und später auch sein Sohn - hat es ausgiebig mit Diplomaten, Spionen und Hochstaplern zu tun. Seine kühnen Recherchen führen ihn in die exklusiven Grand Hotels des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, und schließlich sogar mit dem mondänen Nord-Express bis nach Sankt Petersburg.

Allein für dieses schillernde Historiengemälde lohnt die Lektüre der dritten Geschichte aus der Gryszinski-Reihe. Wie immer brillant erzählt, ähnelt sie der legendären Bratensemmel, deren Genuss Gryszinski auf dem Viktualienmarkt für sich ritualisiert hat: eine knuspernde, saftige Verheißung, die alle Sinne nährt und nach der man sofort weiß: Davon möchte ich bald noch eine!