Das Leben ist keine Illusion

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miss marple 64 Avatar

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Das Leben ist keine Illusion

… aber manchmal kann mit einer Illusion Leben gerettet werden.

Das zeigt Emanuel Bergmann in seinem berührenden Roman. Zwei Lebenswege verstricken sich in dem fast 400 Seiten dicken Text auf phantasievolle, aber auch eindringliche Weise, verbinden Europa und Amerika, finden ihren Anfang in der Vergangenheit und Ende in der Gegenwart. Eine Gegenwart, die für die Jungen Max sehr schmerzlich ist, denn er erfährt von den Scheidungsabsichten seiner Eltern. Der Vater zieht aus und Max bleibt von ihm eine alte Schallplatte, auf der der Große Zabbatini-lange Zeit ein berühmter Magier- seine Zaubersprüche spricht. Besonders gespannt ist Max auf den Liebeszauber, der ewige Liebe verspricht, die er sich so sehr für seine Eltern wünscht. Jedoch ist die Platte kaputt und ihm bleibt für den vollständigen Spruch nur, den Meister zu finden. Was ihm auch gelingt. Nach längeren Hin und Her kommt es zu Max Geburtstag zu dem ersehnten Zaubertrick…
Parallel dazu lässt der Autor den Leser eine Zeitreise in das vergangene Jahr-hundert mit seiner verhängnisvollen Geschichte für Europa und die Welt machen. Der junge Mosche Goldenhirsch- Sohn eines armen Rabbiners in Prag- verlässt nach dem Tod seiner Mutter und Auseinandersetzungen mit seinem Vater die Heimatstadt, um sich einem Zirkus, der sich auf Zauberkunststücke spezialisiert hat, anzuschließen. Unterwegs lernt er es, sein Judentum zu leugnen. Mehrere Jahre ist er mit dem Zirkus quer durch Europa unterwegs, findet in der Assistentin des Magiers seine große Liebe, was beiden zum Verhängnis wird. Ihr Glück finden sie bald in Berlin, Julia Kleins Heimatstadt. Sehr bald steigt Mosche- der sich seit längerem Zabbatini nennt- in der Unterhaltungswelt der 30 er Jahre auf, spezialisiert sich aufs Wahrsagen, was auch den Nazigrößen der damaligen Zeit nicht verborgen bleibt. So kommt er auch in die unangenehme Lage, Hitler persönlich eine Vorhersage machen zu müssen. Aber es kommt wie es kommen muss, so ist er ist auch nicht sicher vor Verrat und tritt schlussendlich seinen Weg über Theresienstadt nach Auschwitz an, was er aber glücklicherweise überlebt.
Sehr spannend verwebt der Autor die Lebenswege von Max und den Großen Zabbatini, die sich erst wenige Tage in der Gegenwart kennen, die aber bereits in Vergangenheit vom Schicksal vorbestimmt waren.
Dem Autor gelingt es in einer oft humorvollen Sprache, auch scheinbar ausweglose Situationen zu beschreiben. Er zeichnet seine Figuren so genau, dass sie wie in einem Film vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen.
Wieder einmal beweist der Diogenes Verlag, dass man die kleinen weißen Bücher ohne groß zu überlegen in die Hand nehmen kann und wirkliche Literatur zu lesen bekommt, die sich jenseits des Mainstreams in den Regalen der Buchhandlungen einen Platz sichern wird.