Ein Buch wie der Zylinder eines Zauberers

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Ein Buch wie der Zylinder eines Zauberers - voller Überraschungen! Du rechnest mit einem Kaninchen und bist verblüfft, wenn ganz andere Dinge aus dem Hut gezaubert werden. Genauso erging es mir mit diesem Buch. Emanuel Bergmann verzaubert den Leser mit seinem Roman "Der Trick", indem er mit vielen Überraschungsmomenten spielt.

Worum geht es in diesem Roman?
1934, in Prag, bestaunt der fünfzehnjährige Rabbinerssohn Mosche Goldenhirsch im Zirkus die Zauberkunststücke des legendären "Halbmondmanns" und seiner liebreizenden Assistentin - es ist um ihn geschehen, und zwar gleich doppelt. Er rennt von zu Hause weg und schließt sich dem Zirkus an, der nach Deutschland weiterzieht.
2007, in Los Angeles, klettert der zehnjährige Max Cohn aus dem Fenster seines Zimmers, um den Großen Zabbatini zu finden, einen alten, abgehalfterten Zauberer. Der Junge ist überzeugt: Nur Magie kann seine Eltern, die vor der Scheidung stehen, wieder zusammenbringen. (Klappentext)

Es geht also um 2 Handlungsstränge. Der erste spielt im Europa zur Zeit des 2. Weltkrieges und des Nationalsozialismus. Der Leser schnuppert Zirkusluft und wird in die Geheimnisse der Zauberei eingewiesen. Er begleitet den jungen Mosche auf seinem Weg von Prag bis ins quirlige Berlin. Er lernt das Künstlerleben während des Nationalsozialismus kennen bis hin zum Holocaust. Eine atemberaubende Mischung, die einen an den dunklen Seiten der deutschen Geschichte teilhaben lässt.

"Die Vorstellung war überwältigend. Nicht zuletzt, weil der Halbmondmann eine hübsche, junge Assistentin hatte, die er als Prinzessin Ariana von Persien vorstellte. Nach einer Löwendressur- und einer Akkrobatiknummer stieg sie in einen großen Überseekoffer, der die ganze Zeit unbeachtet am Rand der Zirkusarena gestanden hatte. Der Halbmondmann machte den Koffer zu, packte den Silberkanuf seines Gehstocks und zog plötzlich ein Schwert aus dem Schaft. Er hielt es so hoch, damit die Zuschauer es im Rampenlicht funkeln sahen. Dann holter er ein Seidenband hervor und schnitt es entzwei, somit war bewiesen, dass die Klinge scharf war." (S. 93)

"Was für eine Welt, dachte er, wo schöne Frauen aus Gepäckstücken steigen!" (S. 94)

Im 2. Handlungsstrang befinden wir uns 60 Jahre später in Los Angeles, lernen die Familie Cohn kennen. Harry und Deborah Cohn haben Eheprobleme und wollen sich scheiden lassen. Sohn Max (10) versucht dies zu verhindern, indem er die rührende Idee hat, seine Eltern mittels eines Zaubers, den nur der Große Zabbatini beherrscht, wieder zusammen zu bringen.

Es gibt einen ständigen Wechsel zwischen den beiden Handlungssträngen. Ständig fragt man sich, wo die Verknüpfung zwischen diesen beiden Ebenen zu finden ist. Erst nach dem ersten Drittel dieses Romans wird man von der gemeinsamen Verbindung überrascht.

Dieser Roman macht Spaß. Dank des lebhaften Erzählstils von Emanuel Bergmann, fliegen die Seiten nur so dahin. Wie ich anfangs erwähnte versteht es Bergmann, seine Leser zu überraschen. Man weiß nie, welche Wendung die Geschichte annimmt. Wie bei einem Zaubertrick versucht man als Leser die Handlung zu durchschauen. Doch es gelingt nicht. Denn dafür sind Bergmann's Tricks zu fantasievoll. Und so wird man als Leser von der Handlung gleichzeitig verblüfft und verzaubert. Bergmann gelingt es, den Leser die komplette Gefühlspalette durchlaufen zu lassen. Es gab Momente, in denen ich lauthals lachen musste, aber auch Momente der Betroffenheit. (Die eine oder andere Träne ist auch geflossen.)

"Er lernte, dass die Bühnenzauberei nichts anderes war als eine Form des Geschichtenerzählens. Jeder Trick war ein Drama. Der Zauberer, oder Erzähler, erschuf im ersten Akte eine Erwartungshaltung, die dann im dritten Akt gleichermaßen erfüllt und auf den Kopf gestellt wurde. Mosche begriff, dass der wahre Trick sich immer nur in den Gedanken der Zuschauer abspielte. Die Kunst war nicht die Veränderung durch die Mechanik der Handgriffe oder Requisiten, die Kunst bestand in der Verwandlung der Gefühle." (S. 179)

Was an Komik fast nicht zu überbieten ist, ist das Miteinander des 10-jährigen Max und des alten, abgehalfterten Magiers, der Große Zabbatini. Ein 10-Jähriger, der trotz seiner Kindlichkeit eine gewisse Ernsthaftigkeit an den Tag legt trifft auf einen egoistischen alten Kerl, der sich benimmt wie ein Kind. Dieses Zusammenspiel der beiden habe ich sehr genossen.

Fazit:
Ich war fast ein bisschen traurig, als ich das Buch beendet habe. Die Geschichte hätte für mich ewig weitergehen können. Dies ist eines der Bücher, bei denen einfach alles stimmt: Originelle Handlung, tolle Charaktere, lebhafte Sprache. "Der Trick" ist Emanuell Bergmanns erster Roman. Bitte mehr davon! Absolute Leseempfehlung!

© Renie