Hokuspokus

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hurmelchen Avatar

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Emanuel Bergmanns Debütroman "Der Trick" ist laut Klappentext "Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente umspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen."
In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um eine Geschichte, die aus lauter Versatzstücken der Populärkultur zusammengeschustert ist, und auf eine Klientel abzielt, die auch der Verwurstung des Holocaust gegenüber nicht mehr kritisch ist.
Wenn ein Roman nur im Dunstkreis des Dritten Reichs oder eines KZ spielt, jault die Leserschaft vor Begeisterung und Berührung auf und meint, etwas besonders emotional Authentisches, gar Historisch- Korrektes zu konsumieren
Aber langsam...

"Der Trick" erzählt die Geschichte, des in Prag aufgewachsenen Rabbiner- Sohnes Mosche Goldenhirsch, der dem Zirkus verfällt, meint, seinen jüdischen Glauben ablegen zu müssen, um nach vielen Wirren, während der Naziherrschaft davon wieder eingeholt zu werden. Bis er seinem Schicksal ins Auge sieht, wird aus Goldenhirsch der "Große Zabbatini", ein Magier und Mentalist.
Parallel dazu, wird sie Geschichte des 10- jährigen Max Cohn erzählt, der mit seinen Eltern im heutigen Los Angeles lebt, und unter deren bevorstehender Scheidung leidet. Als er eines Tages auf die Existenz eines Zauberspruchs, der die ewige Liebe verspricht, stößt, und auf dessen Erfinder, den "Großen Zabbatini", beginnt der Kreis sich zu schließen.

All das klingt erstmal total charmant, und die Leseprobe liest sich auch so, aber Bergmanns erzählerisches Talent, stößt schnell an seine Grenzen.
Seine Figuren sind allesamt simpel gestrickt, genau wie seine Sprache. Die gesamte Geschichte ist vorhersehbar.

Wenn der alte Mosche Goldenhirsch, nachdem er aus seinem Altenheim geflogen ist, bei Max und seiner, im übrigen extrem unsympathischen Mutter sitzt und jammert, daß es nach seinem Ableben niemanden gäbe, der das Kaddisch für ihn spräche, weiß man sofort, daß am Ende natürlich die Familie Cohn das Kaddisch sprechen wird...

Emanuel Bergmann hat, laut seiner Vita, Film und Journalismus in LA studiert ( daher muss der Roman wohl auch dort angesiedelt sein...) und u.a. für Filmproduktionen gearbeitet.
Dieser Werdegang ist Zeile für Zeile in seinem Buch spürbar.

Vor dem inneren Auge sieht man die Verfilmung, baut Bergmann doch Spielberg'sche Elemente ein ( Max nimmt nach einem Streit mit den Eltern - Achtung! E. T. läßt grüßen- sein auf dem Rasen liegendes BMX Rad und fährt davon) und hält sein Debüt bewusst leicht konsumierbar.
Das Schlimmste daran ist, dass die Protagonisten, sowie alle Abläufe der Handlung, Behauptungen bleiben. Nie dringt man ins Innenleben der Personen ein, nie wird z. B. die Athmosphäre Berlins 1943 literarisch aufgearbeitet. Alles wird erklärt, wie in einer ängstlichen Fernsehdramaturgie und so entbehrt der Roman jegliche erzählerische Finesse.

Zitat:" Die Bomben, die Nachrichten von der Ostfront, das Klima der Verdächtigungen und Denunziationen in der Stadt , die Gerüchte über Deportationen und Verschleppungen- man mußte kein Hellseher sein, um sich die Zukunft in düsteren Farben auszumalen."

Statt eines rudimentären Satzes, hätte man genau diese Athmosphäre ausarbeiten müssen, fühlen und schmecken müssen.

Hat Bergmann einmal Gefallen an einem Ausdruck gefunden, wird dieser strapaziert. Inflationär gebraucht er die Bezeichnung "zukünftige Ex-Frau" bzw Ex-Mann für das in Trennung lebende Elternpaar und ebenso oft findet sich Goldenhirsch unter " Hunderten von Menschen".

Natürlich kommt Goldenhirsch im Jahre 1938, von Hannover kommend, am Anhalter Bahnhof in Berlin an, der beschrieben wird, wie im berühmten Dokumentarfilm "Symphonie der Großstadt"- noch ein Klischee!
Ob das überhaupt historisch korrekt ist, müßte man recherchieren, denn kamen nicht alle Züge, die von Norden oder Nord- Westen einfuhren, am Lehrter Bahnhof an?
Sei's drum...

Was für mich aber am schwersten zu ertragen ist, sind Passagen, wie:" Das Innere von Mickey's Pizza Palace war nicht ganz so unangenehm wie die Rampe von Auschwitz, aber es war übel genug, fand Zabbatini."

Nur wenigen Künstlern ist es je geglückt, daß man in ihren Werken über den Holocaust und die Nazis lachen kann, und immer war es ein Lachen, welches im Halse stecken bleibt. Es waren berufene Könner wie Ernst Lubitsch (" To be or not to be "), Roberto Benigni (" La Vita E Bella") oder Edgar Hilsenrath (" Der Nazi und der Friseur").
Darf man diese fürchterliche Zeit wirklich in seifige Empathie verpacken und daraus seichte Unterhaltungsliteratur machen? Das Buch steht in einer Reihe mit weichgespülten Holocaust Melodramen, wie "Der Junge im gestreiften Pyjama" oder " Die Bücherdiebin". Dümmliche Nazis, ein wenig Folter, eine Prise KZ und naive Kinder.
Und falls das nicht schon alles dem Faß den Boden ausschlägt, setzt Bergmann mit dem kitschigen Happy End dann den Schlußpunkt. Damit ist der Schlamassel perfekt.

Mosche Goldenhirschs Zauber ist Schmu, genau, wie dieser Roman.