Märchenhafte Geschichte über die Macht des Glaubens und des Schicksals

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Der Roman "Der Trick" von Emanuel Bergmann hat märchenhafte Züge, auch wenn die Figuren im ersten Handlungsstrang Namen haben und ihre Umgebung beschrieben wird und zunächst noch keine offenkundig unmöglichen Dinge passieren. Vielleicht sind es die kurzen Sätze, die ungekünstelte Sprache, die reduziert auf das Wesentliche ist.

Inhaltlich geht es um einen Rabbi, Laibl Goldenhirsch, der bescheiden und genügsam mit seiner Frau in einer kleinen, ärmlichen Wohnung in Prag lebt und andere die Geheimnisse der Thora lehrt. Lange wird ihm sein sehnlichster Wunsch, einen eigenen Sohn zu bekommen, verwehrt.
Dann zieht er in den Krieg und als er zurückkommt, ist seine Frau Rifka schwanger, wie man vermuten kann, von ihrem Nachbarn Mosche, den sie getröstet hat,als dieser von seiner Frau verlassen wurde.
Feiner Humor durchzieht den Romanbeginn, wie an dieser Stelle, als Laibl Mosche anspricht:
"Er raffte sich erneut auf. »Es geht um ein Schloss.«
»Was ist damit?«
»Ich krieg’s nicht auf«, sagte der Rabbi. »Ich stecke meinen
Schlüssel rein und drehe, aber …« Er sammelte seine Gedanken: »Es tut sich nichts.«
»Muss am Schlüssel liegen«, sagte Mosche mit der Überheblichkeit eines tüchtigen Handwerkers, der mit einem Laien spricht." (Seite 15).
Der Rabbi beschließt, das Kind als das seine anzunehmen, denn, so wie er sagt: " Jedes Kind ist ein Geschenk (...) Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul." (Seite 17).

Dann erfolgt ein Zeit- und Raumwechsel, denn der nächste Handlungsstrang spielt viele Jahrzehnte später in einem anderen Land. Ein kleiner Junge, der Max heißt, wird mit der Entscheidung der Eltern konfrontiert, sich scheiden zu lassen. Auch hier scheint der feine Humor durch: Der Junge ist von seinem Freund vorgewarnt worden, dessen Eltern ihm beim Pizzaessen in einem Restaurant mitgeteilt haben, dass sie sich trennen werden, sodass er fortan keine Pizza mehr mag. Max entscheidet sich also, lieber in ein Sushi-Restaurant gehen zu wollen, als seine Eltern ihm ankündigen, mit ihm reden zu wollen. Und als es kommt, wie es kommen muss, denkt er: " Sein Mund war voller Fischwichse oder was das war, und er sagte sich immer und immer wieder: Pizza, wenigstens Pizza bleibt mir noch." (Seite 21).

Zunächst ahnt man noch nicht, wie die beiden Handlungsstränge, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, zusammenhängen, das schafft Spannung und Neugier darauf, wie es weitergehen wird. Dann aber, je weiter die Geschichten von Mosche und Max weitererzählt werden, kommt es zu einem ersten Zusammenführen der beiden Handlungsstränge. Max, der sich nichts mehr wünscht, als dass seine Eltern wieder zusammenkommen, findet eines Tages, als sein Vater von zu Hause auszieht, eine Schallplatte vom Großen Zabbatini, einem Zauberer, der einen Liebeszauber durchgeführt hat. Er macht sich auf die Suche nach diesem großen Zauberer, weil er sich erhofft, ihn dazu zu bringen, diesen Zauber an seinen Eltern auszuprobieren, und er hat Glück und findet ihn.

Zu einem späteren Zeitpunkt gibt es aber noch eine weitere Verknüpfung beider Geschichten. Welche, sei hier noch nicht verraten, aber es ist eine Verknüpfung, die dem Erzählten eine überraschende, unerwartete Wendung gibt und berührt.

Die Überschrift "Der Trick" bezieht sich auf Verschiedenes. Sicherlich auf den Trick, von dem sich der kleine Max erhofft, dass er ihm seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, nämlich dass seine Eltern wieder zueinander finden. Aber er kann sich auch beziehen auf das Ereignis, das die zweite Verknüpfung der beiden Geschichten ausmacht, denn das zeigen die letzten Sätze des Romans: "Als Max hinaufschaute, zum blauen Himmel und der Sonne, die zwischen den Baumwipfeln stand, fühlte er, dass er diesem Mann mehr als nur sein Leben verdankte. Der Große Zabbatini hatte ihm alle Schönheit dieser Welt geschenkt. Das war kein Trick, so viel wusste Max jetzt. Es war ein Wunder" (Seite 392).


Emmanuel Bergmanns "Trick" ist ein überaus wundervolles Debüt, das Lust auf mehr macht.