Eine typisch untypische britische Familie

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Es ist Samstag der 30. April 1910 (?).
Edward Swift, von Beruf Anwalt und seit eines Unfalls ohne linken Arm, befindet sich gerade zum Aufbruch nach Manchester, um den Landsitz Sterne, welcher von seiner Ehefrau Charlotte so geliebt wird, vor dem Verkauf zu retten. Gekauft hatte Sterne ursprünglich Charlottes erster Ehemann Horace Torrington, welcher vor ein paar Jahren starb und nur Schulden hinterliess. Mit Horace hat Charlotte drei Kinder: Clovis der älteste und einzige Sohn (ca. 21-jährig), Emerald, welche just an diesem Tag ihren 20. Geburtstag feiert und Imogen, genannt Smudge, der etwa 10-jährige Nachzügler.
Der von Charlottes Kinder aus erster Ehe so ungeliebte Stiefvater wäre also damit aus dem Haus. Der Rest der Familie - dazu gehören noch Florence Trieves, die Hauswirtschafterin und Myrtle, ein Mädchen für alles, sowie Hunde, Katzen, Pferde und ein Pony - bereitet sich auf Emeralds Geburtstagsfest vor. Emerald hat für das Wochenende noch ein paar alte Bekannte, eine Schulfreundin mit ihrem Bruder, eingeladen. Dazu lädt sie im Verlauf des Tages noch den Fabrikanten John Buchanan ein.
Alles könnte sich ja zu einem gut strukturierten, manierlichen, lustigen und sagen wir mal normalem Geburtstagsfest entwickeln, wenn da nicht dieser lästige Eisenbahnunfall auf einer Nebenlinie wäre. Plötzlich ist Sterne nämlich voller ungeladener Gäste….


Sadie Jones hat mit „Der ungeladene Gast“ (im Original „The Uninvited Guests“) einen vergnüglichen und leicht unheimlichen Roman für die Wochenend-Lektüre geschrieben.
Man erlebt eine typisch untypische englische Familie zu Anfang des 20. Jahrhunderts welche auf Sitten und Konventionen achtet, aber unter der Fassade auch ein paar Leichen im Keller hat. Man erlebt mit, wie leicht das menschlich zivilisierte und die sich so schwer anerzogenen „Manieren“ Risse bekommen können, wenn mal plötzlich etwas passiert, was so nicht geplant war. Es zeigt aber auch, dass man durch ein solches Erlebnis sogar fast als besserer Mensch hervorgehen kann.
Natürlich ist vieles in der Geschichte ziemlich vorhersehbar, vor allem die sich bildenden zwischenmenschlichen Beziehungen und dass es ein Happy End gibt, kann man sich auch denken.
Die Geschichte ist in Kapitel unterteilt und innerhalb eines Kapitels springt man immer mal wieder von den einen Figuren zu den Anderen und in deren Aufenthaltsräume. Man erlebt unter anderem witzige, exzentrische Begebenheiten und Gespräche.
Ein, zwei Szenen hätte man von mir aus aber auch weglassen können, da ich sie fast überflüssig fand.
Seltsamerweise wird im ganzen Buch nie das Jahr genannt. Nur, dass es Samstag und Ende April ist und der nächste Tag dann ein Maifeiertag. Auf der Umschlagseite steht aber 1912, was nicht sein kann, denn 1912 war der 30. April ein Dienstag?

Für mich war „Der ungeladene Gast“ ein leichter und teilweise witziger Roman für das Wochenende nicht mehr und nicht weniger.