Ein Sowjet-Märchen, in dem es um Gerechtigkeit geht

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tochteralice Avatar

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Dies ist der erste Eindruck von Andrej Kurkows neuestem Werk "Der wahrhaftige Volkskontrolleur". Der getreue Bürger und Bewohner eines abgelegenen Dorfes Pawel Dobrynin wird quasi aus dem Nichts zum Volkskontrolleur ernannt - auf Neudeutsch quasi zum Controller des gesamten Sowjetvolkes. Wir scheinen uns in den frühen Jahren der Sowjetunion zu befinden - noch dreht sich alles um den Genossen Lenin, noch haben die Dorfbewohner nicht ganz erfasst, dass die überall gegenwärtigen Ikonen nun durch sein Konterfei ersetzt werden.

Zudem taucht ein Engel auf, der einen Kleiderwechsel mit dem Deserteur Sergunkow vornimmt und dessen Jäger durch seine Unsterblichkeit verblüfft... auch Segunkov selbst wird verwechselt: offenbar von Gott höchstpersönlich oder zumindest von einem ranghohen Funktionär des Himmelreiches...

Nun, ich bin ein großer Fan der frühen Kurkow-Werke: der Doppelroman um den Pinguin Mischa und Viktor, einen Verfasser von Nekrologen, die zunächst einträchtig in einer WG in Kiew leben, sich dann jedoch aus den Augen verlieren und auf einer Odysee wiederfinden müssen, hat mich sowohl amüsiert als auch bewegt. Auch "Ein Freund des Verblichenen", in dem der lebensmüde Tolja einen Killer für sich selbst engagiert und dann verzweifelt versucht, diesen wieder abzubestellen, hat mir gut gefallen.

Doch driftet das vorliegende, hier zu beurteilende Werk nicht zu sehr ins Abstruse ab? Eine derartige Tendenz war bereits in "Die letzte Liebe des Präsidenten" zu beobachten, einem Werk, mit dem ich mich sehr schwer tat.

Bei dem "Wahrhaftigen Volkskontrolleur" Pawel, der für Gerechtigkeit steht (in welcher Form genau, das wird sich sicher im weiteren Verlauf des Romans offenbaren), der mal naiv, dann wieder fast philosophisch wirkt sowie dem parallel agierenden Engel bin ich mir bezüglich des eventuell bevorstehenden Lesegenusses recht unsicher. Die Leseprobe strotzt zeitweise vor Osthumor, der mir sehr liegt, teilweise wird der Bogen aber auch ganz schön überspannt. Noch ist nicht abzusehen, wie sich das Buch weiterentwickelt:  wird es eine geniale Satire auf den Kommunismus oder ein schwer zu lesender Mix von Absurditäten?