Packender "moralischer Thriller"

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Aktuelle Themen in einen "moralischen Thriller" mit Shakespeare Referenzen zu verpacken - das schafft derzeit nur Eleanor Catton.

Inhaltlich geht es bei "Der Wald" (engl. Birnam Wood) um eine Gruppe von Guerilla-Gardening Aktivisten in Neuseeland und ihrer Anführerin und Gründerin Mira Bunting. Die Gruppe hat mit zwischenmenschlichen und finanziellen Spannungen zu kämpfen. Da kommt ein Erdrutsch grade recht, der eine abgelegene Farm von der Umgebung abgeschnitten hat. Mira bricht auf, um die Farm für die Zwecke von Birnam Wood zu erkunden und trifft dort auf den amerikanischen Milliardär Robert Lemoine.

Was folgt ist eine große Geschichte, die den wuchtigen Umfang sehr, sehr verdient hat. Die Konstruktion begeistert, wie auch schon die Vorgängerwerke. Ab einem gewissen Punkt hat man so eine generelle Ahnung, wie das Buch enden wird (Spoiler: nicht gut), aber trotzdem bleibt die Spannung erhalten und steigert sich von Seite zu Seite: wem kann man trauen? Wer hat welche Hintergedanken und persönlichen Zwecke? Kann man es auf Gut gegen Böse, radikaler Umweltschutz gegen Kapitalismus und Profitgier weniger Superreicher reduzieren?

Als Leser*Innen spürt jeder, der kein Wissenschaftsleugner ist, die Verzweiflung der Aktivisten mit voller Wucht, denn die Hintergründe dieser Zukunftsangst werden fast jeden Tag in den Nachrichten aufgezeigt. Dazu webt Catton noch die immer stärker werdene Abhängigkeit von Technologien und sozialen Medien ein, die mündige Nutzer*Innen benötigen würden, um sich gegen die scheinbar unendliche Gier nach persönlichen Daten und somit auch Macht zu stellen.

Was uns allen auch in der realen Welt gut tun würde: sich um den anderen zu kümmern, gerade auch um die Schwächeren und diejenigen, die sich für das Allgemeinwohl mächtigen Interessen entgegenstellen, das spürte ich beim Lesen. Ich sorgte mich um verschiedene Figuren, bewertete aber gleichzeitig manche Personen nach einer Weile völlig neu. Es war insgesamt keine bequeme Lektüre, eher das Gegenteil, wo beim Lesen eigene Handlungsmuster in Frage gestellt werden. Aber bei Hamlet, es ist (und hat) die Wucht in Buchform und fesselt bis zur Schlußszene.

Eine ganz klare Leseempfehlung an alle jenseits von leichter Kost. Ich könnte mir übrigens die Geschichte auch ganz gut als Mini-TV-Serie vorstellen, aber, dass Catton sehr bildlich schreibt ist ja nichts Neues.