Eindrucksvoll erzählt

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Die Nachrichten und die herzzerreißenden Bilder von Flüchtlingskindern, die in den USA von ihren Eltern getrennt werden, sind noch sehr präsent. Dieser Thematik hat sich Isabel Allende in ihrem neuesten Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ angenommen. Stellvertretend für die vielen Einzelschicksale erzählt sie von der siebenjährigen Anita Díaz, die mit ihrer Mutter von El Salvador in die USA flieht. An der Grenze wird sie von ihrer Mutter getrennt und in ein Lager gesteckt. Alles, was ihr bleibt, sind eine Stoffpuppe und ihre ganz eigene Fantasiewelt Azabahar - ein sehr weit entfernter Stern, ihr Zufluchtsort.

Isabel Allende prangert die Grenzpolitik der USA an, sogar Babys werden den Müttern entrissen, eine spätere Familienzusammenführung scheitert oftmals. Zurück bleiben traumatisierte Kinder und verzweifelte Eltern. Aber nicht nur hier, an allen Ecken und Enden drängt sich vermehrt der Eindruck auf, dass die Welt mehr und mehr aus den Fugen gerät. Die Nazizeit ist ein weiteres Beispiel, wie eiskalt mit denen umgesprungen wird, die auf Hilfe hoffen, die lediglich leben wollen.

Der Roman beginnt in Wien im Jahre 1938. Die Zeit ist eine ganz andere und doch ist es auch hier ein Kind - der sechsjährige Jude Samuel Adler – dessen Schicksal durch die Nationalsozialisten eine traurige Wendung nimmt. Sein Vater verschwindet spurlos nach der Pogromnacht, seine Mutter schickt ihn mit einem Kindertransport nach England. Er wird durch etliche Familien gereicht und landet in einem Heim. Halt geben ihm schließlich das Ehepaar Evans und seine Musik. Nach Kriegsende, als Zwölfjähriger, hofft er auf ein Wiedersehen mit seinen jüdischen Eltern.

Und dann gibt es in all dem Elend auch die anderen, diejenigen, die ganz uneigennützig helfen. Die Sozialarbeiterin Selena ist eine davon und sie findet in einem Anwalt Unterstützung für ihr Projekt „Magnolia“. Sie setzen sich dafür ein, dass Anita in den USA bleiben kann und machen sich auf die Suche nach ihrer Mutter.

Anhand der Kinderschicksale bekommt man einen Einblick in die verzweifelten Familien. Immer wieder verschwinden Menschen, die Kriminalität in Mexiko etwa wird durch gewalttätige Banden verschärft, nicht nur die Berichte um das Massaker von El Mozote gingen um die Welt.

Einmal mehr bin ich von Isabel Allende und ihren so eindringlich erzählten Geschichten, die stets auf wahren Begebenheiten beruhen, überwältigt. Flucht und die damit einhergehende Hoffnungslosigkeit, verbunden mit einem lebenslangen Trauma, ist Thema. Und doch gibt es ein Leben danach, geprägt von Hoffnung, Freundschaft und Liebe. Die Charaktere hier sind allesamt überzeugend und lebensnah gezeichnet, wobei mir die kleine Anita, gefolgt vom jungen Samuel, besonders nahe waren. Aber nicht nur sie, auch Selena mit ihrer uneigennützigen Hilfsbereitschaft gibt Anlass, den Glauben an das Gute nicht zu verlieren. Allendes Erzählton ist stets leise und kommt doch gewaltig daher, ihr neuestes Werk bleibt im Gedächtnis, die Thematik um die Flüchtlingspolitik ist leider zu präsent. „Der Wind kennt meinen Namen“ ist ein Buch, das gelesen werden will, gelesen werden soll.