Zwischen Tod und Wahnsinn

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kainundabel Avatar

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... leben sie, die Bewohner im italienischen Girifalco. Zwischen dem Friedhof im Norden und der Nervenheilanstalt im Süden. Hier kennt jeder jeden, auch wenn man nicht um alle Geheimnisse des anderen weiß. Domenico Dara schart nach seinem Debütroman „Der Postbote von Girifalco“ auch in seinem neuen Roman wieder die Charaktere des dörflichen Mikrokosmos‘ um sich, von denen so mancher mit seinem Schicksal hadert. Da treffen wir auf Lulù, den „Verrückten“, der seine Mutter schmerzlich vermisst, auf Archidemu, der sich in Selbstvorwürfen ergeht, seit sein kleiner Bruder unter seiner Obhut spurlos verschwand, auf Cuncettina, die unglücklich kinderlose „Vertrocknete“, auf Talianas unehelichen Sohn Angeliaddu, der sehnlichst seinen Vater kennenlernen möchte, auf Don Venanziu, der seinen Ruf als schwuler Schneider pflegt, um als Liebhaber die halbe dörfliche Damenwelt zu beglücken mit zunehmender Erkenntnis, dass die Kraft seiner Lenden vergänglich ist. Dann strandet unvermittelt ein Zirkus im Ort, schlägt kurzerhand seine Zelte auf und wird für die Bewohner zum Anziehungspunkt und Ort ihrer unerfüllten Träume, Hoffnungen und Sehnsüchte. Hier treffen zwei Welten aufeinander, Realität auf Magie, Alltag auf Faszination. Und das hat Folgen für die Menschen im Dorf und in der Welt des Zirkus.
Domenico Dara, der selbst aus Girifalco stammt, erzählt die fiktive Geschichte so wunderbar sprachgewaltig, poetisch und rau, leise und laut, erotisch und derb, aber immer getragen von einer Empathie für jeden seiner Protagonisten. Er erzählt von Aufbruch und Verlassenwerden, von Verlust und Wiederfinden, von Frömmigkeit und Bigotterie, von Glück und Enttäuschung. Das ist Literatur, wie sie sein soll: großes Kino im Kopf – und für mich schon jetzt eines der Bücher des Jahres.