Die anstrengendste Großmutter der Welt

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Ich muss zugeben, dass mir der Roman von Alina Bronsky zunächst durch das sehr ansprechend gestaltete Cover aufgefallen ist. Im Buch geht es jedoch nur punktuell um den Zopf – sondern viel mehr um die Verrücktheiten – der Großmutter von Maxim/Max/Mäxchen (je nach Situation).

Die Geschichte wird aus der Sicht von Max erzählt, welcher mit seinen Großeltern auf Wirken der Großmutter hin aus Russland nach Deutschland umsiedelte. Der Plot setzt in Deutschland in einem Wohnheim ein und begleitet den Jungen bis in seine Jugend. Diese vielen Jahre packt die Autorin sehr geschickt in das kleine 214 Seiten dünne Büchlein. Die Jahre fliegen am Leser nur so vorüber. Dabei dreht sich jegliches Geschehen um die von sich selbst eingenommene, hypochondrische, distanzlose Grußmutter vom Max. Es wandelt sich die Gefühlslage des Lesers gegenüber der Großmutter von Aversion und Hass, zu zeitweise Respekt, zu teilweise Empathie, wenn auch nie zu Sympathie, denn dafür ist sie viel zu aufdringlich. Meines Erachtens erzeugt die Autorin genau die Gefühlslagen bei ihren Lesern, die sie erzeugen möchte. Diese Großmutter soll man nicht vorbehaltlos lieben, man soll sie langsam verstehen lernen.

Da die Autorin den personalen Erzähler in Form vom unterwürfigen Max wählt, erfährt der Leser nur Stück für Stück, was sich in der Familie vor der Umsiedlung nach Deutschland zugetragen hat. Das zehrt an den Nerven, denn Max fragt leider nicht viel, macht das Lesen jedoch umso spannender. Der Junge lebt ein Leben zwischen Zwängen und Ängsten, die von der Großmutter vermittelt und in die auch der Leser eingefercht wird. Dabei liest man auch durchaus einige bitterböse politisch inkorrekte Einstellungen der Großmutter gegenüber „Arabern“, „Türken“ et cetera. Bronsky hat im Gesamten einen sehr bitterbösen Witz und im Klang einen sehr schön an russische Einwanderer denkenlassenden Sprachstil.

So kurzweilig und zügig die Geschichte erzählt wird, so geht mir am Ende alles etwas zu schnell. Da hätte ich mir ein paar Seiten mehr gewünscht. Trotzdem ist das Buch durchweg zu empfehlen. Wenn man sich durch die ersten schmerzhaften Seiten durchgekämpft hat – und zwar nicht, weil diese schlecht oder träge geschrieben wären, sondern weil man sich erst einmal an die anstrengende Großmutter gewöhnen muss – wird man mit einem aberwitzigen Roman über (erweiterte) Familie, Zusammenhalt und Verrücktheit belohnt.