Geschmacksache

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takabayashi Avatar

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„Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ heißt es im Verlagstext. Doch ich konnte die dominante und bösartige Großmutter beim besten Willen nicht liebenswert finden, und fand ihre Art zu reden nach einer Weile auch nicht mehr witzig. Vermutlich ist sie als eine Art „raue Schale – zarter Kern“-Typ angelegt, aber bei mir kam das so nicht an, ich empfand sie als bissig, herrschsüchtig und gemein. Ihr Ehemann, Mäxchens Großvater ist unter ihrem Regiment fast vollständig verstummt, und dass Max nicht völlig verstört ist, sondern doch noch zu einem normalen jungen Mann heranwächst, geschieht nicht wegen, sondern eher trotz der großmütterlichen Erziehung.
Aber der Reihe nach: der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern aus Russland in ein deutsches Flüchtlingswohnheim. Die Großmutter, eine ehemals erfolgreiche Balletteuse, hält Max für so schwächlich und krank, dass sie ihm eine spezielle Diät aus püriertem Gemüse zukommen lässt, selbst seine Geburtstagstorte darf er nicht essen, nur dran schnuppern. Er darf nirgends alleine hingehen, wird ständig gemaßregelt und beschimpft (Krüppel, Idiot), darf nicht mit anderen Kindern spielen, muss ihrer Meinung nach ständig vor gefährlichen Keimen geschützt werden. Die deutschen Kinderärzte, die sie mit Max aufsucht, sind ihrer Meinung nach unfähig, denn sie halten Max für kerngesund. Sogar in die Schule wird Max von seiner Großmutter begleitet, die kaum Deutsch kann und den Unterricht auf Russisch stört.
Der Großvater, der sich in eine etwas jüngere Nachbarin verliebt hat, versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten dagegen zu arbeiten. Bei dieser Frau soll Max Klavierstunden bekommen, und der Großvater muss ihn dorthin begleiten. Das alles wird aus der Sicht von Max geschildert, der ein erstaunlich dickes Fell zu haben scheint.
Das Buch ist schnell gelesen, ist gut geschrieben und unterhaltsam, ging mir aber doch irgendwie gegen den Strich. Für die Großmutter konnte ich keine Sympathie aufbringen und war am Ende nur dankbar, dass Max anscheinend seine Kindheit und Jugend mit ihr relativ unversehrt überstanden hat.