Skurril kann auch nerven

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"Die Großmutter hatte es nun doch geschafft. Der Zopf fiel in meine Hände wie ein totes Tier."

Großmutter, Großvater und Enkel kommen als Auswanderer nach Deutschland und versuchen, Fuß zu fassen. Die neue Welt entgleitet der Großmutter, der Großvater verliebt sich neu, und Mäxchen muss irgendwie durch das Chaos der Erwachsenen navigieren.

Nach meiner großen Liebe für "Baba Dunja" habe ich mich außerordentlich auf Alina Bronskys neuesten Roman gefreut - der mich letztendlich enttäuscht zurücklässt. Aus einer völlig anderen Perspektive wird hier von einer ähnlich schrägen Frau wie Baba Dunja erzählt, nur dass der Großmutter Margo jede Liebenswürdigkeit fehlt. Ihre Hasstiraden, Beschimpfungen und fehlgeleiteten Bemutterungsversuche empfand ich als äußerst anstrengend, manchmal hat mich diese Figur richtiggehend aggressiv gemacht. Ich konnte kaum Sympathie für die Frau aufbringen, die eigentlich alle tyrannisiert und absolut verblendet ist von ihren Vorstellungen von gesundem Leben. Ständig müssen Hände gewaschen und desinfiziert werden, es gibt nur weich gekochtes Gemüse und Haferschleim für Mäxchen, außerhalb essen darf er gar nicht. Dieser Tick lässt sich vielleicht durch das Trauma erklären, das auf den letzten Seiten aufgedeckt wird (auch so eine Sache - das Ende...), aber es ist doch eigentlich nicht genug, um eine Figur ausreichend zu charakterisieren. Wenn ein Charakter so einseitig bleibt, dann nervt er irgendwann nur noch.

Bronsky unternimmt zwar Versuche, auch Einblicke in die Vergangenheit der Großmutter zu gewähren, aber dadurch, dass Mäxchen die Geschichte erzählt, bleibt leider sehr vieles im Dunkeln. Ich hätte gerne mehr über Maya erfahren, über die Aufnahme Mäxchens durch die Großeltern, über die Geschichte des Großvaters, über Vera. Hintergrundinfos muss man aufmerksam herausfiltern, und selbst dann bleiben sie marginal. Das fand ich sehr schade, da mir dadurch der Zugang zu den Figuren und ihrer Geschichte verwehrt blieb. Die eigentliche Geschichte kompensiert einfach nicht, was an Substanz dahinter fehlt. Außerdem fallen Erzählzeit und erzählte Zeit so weit auseinander, dass kaum Tiefe entstehen kann.

"Der Zopf meiner Großmutter" ist zwar wieder ein humorvoll erzähltes Buch, bei dem ich den Bronsky-Beat heraushören, aber ihn eben nicht fühlen konnte. Ich hätte es sinnvoller gefunden, die Geschichte aus Sicht der Großmutter zu erzählen, um dieser Frau ein wenig in den Kopf schauen zu können. So bleibt sie für mich auch nach dem Lesen eine psychisch gestörte Frau, der ich wenig abgewinnen konnte.